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Januar 2022



Moby Dick im Theater Annaberg: Der „Weiße Wal“ im Wohnzimmer

Ja, sie lesen richtig. Der „Moby Dick“ von Hermann Melville, den meisten bekannt aus der Filmumsetzung von 1956 mit Gregory Peck in der Hauptrolle, ist nun in Annaberg gestrandet.

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Moby Dick im Theater Annaberg. Fotos: Dirk Rückschloß, Pixore Photography

Und zwar in der Bühnenadaption „Orson Welles probt Moby Dick“. Der Name Orson Welles verheißt dem Besucher des Theaters schon mal etwas Besonderes. Denn der Künstler (1915-1985) gilt vielen als das kulturelle Universalgenie des 20. Jahrhunderts. Vielen ist er bekannt durch das Hörspiel „Krieg der Welten“ und natürlich durch den Film „Citizen Kane“, wo Welles die Rollen des Regisseurs, des Drehbuchautors, des Produzenten und des Hauptdarstellers übernahm.

Und nun dieses Stück als deutsche Erstaufführung im Annaberger Theater, in der Übersetzung von Kai Grehn, inszeniert von Maike Bouschen. Als Bühnenbild (Maike Bouschen und Tim Thielemann) dient das große „Wohnzimmer“ eines Kreuzfahrtschiffes mit Rundgang und großem Schaufenster. Denn die Grundidee von Orson Welles ist das Verlegen des Handlungsrahmens zu einem Ort des Freizeitvergnügens. Kostüme, Musik und Choreografie sind dem Stück angemessen entworfen.

Der Autor lässt den ursprünglichen Roman durch eine Laientruppe, einem Personenmix von Kreuzfahrtteilnehmer und Crewmitgliedern, nachspielen. Dabei werden die Szenen immer wieder durchbrochen von den typischen Tagesabläufen eines Kreuzfahrtvergnügens wie Spielzeiten, Animierthemen, Landgang, Tea-Time, Abendshow usw. Die Situationskomik wird verstärkt durch den teilweisen Widerspruch der Laientruppe zwischen ihrem Selbstverständnis und der Rolle im Stück „Moby Dick“.

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So gewinnt das Stück durch die Wandlungsfähigkeit von Marie-Louise von  Gottberg (Starbuck u.a.), der Intensität von Nenad Zanic (Ahab), dem Enthusiasmus bei Nadja Schimonsky (Pip u.a.), der Vielseitigkeit und der Seemannskenntnis des Nordlichts Marvin Thiede (Stubb), der Coolness bei Vladislav Weis (Peleg u.a.), der Weltläufigkeit von Tim Taucher (Ishmael) und der Ernsthaftigkeit von Birgit Reuter (Inspizient) gänzlich unerwartete Seiten. Als Besucher sollte man auch etwas auf die Klanginstallationen, Musik und Sounddesign von Lutz Gallmeister, achten. Auch Orson Welles hatte die Leidenschaft, bei seinen Stücken möglichst vielseitige Sichtweisen und Erfahrungshorizonte einzubeziehen.

Alles in allem ist das Theaterstück ein interessanter und kurzweiliger Versuch, eine etwas andere Sicht auf die wichtigen Dinge des Lebens zu gewinnen. Das ist der Eindruck den das Werk an diesem Premierenabend hinterließ. Das Publikum hatte es dankbar goutiert.

Weitere Vorstellungen: 19., 22. und 30. Januar; 04., 12. und 27. Februar sowie am 18. März, 01. April und 08. Mai 2022.

Wolfgang Blaschke

https://www.winterstein-theater.de/