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September 2023



Don Buonaparte: Italienisches Flair an Annabergs Theater

Das Spätwerk von Alberto Franchetti, eine Wiederentdeckung und Wiedergutmachung für einen vergessenen Meister.

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Fotos: Ronny Küttner, Photoron/Theater Annaberg

Es ist einmal mehr eine Entdeckung der engagierten Leitung des Eduard-von-Winterstein-Theaters Annaberg, der Don Buonaparte, die wohl letzte Oper von Baron Alberto Franchetti (Libretto von Giovacchino Forzano) aus dem Jahre 1930. Das Annaberger Publikum feierte das Werk am Samstag dem 14.10.2023 wie auch die Ensembleleistung frenetisch. Im faschistischen Italien geriet der international bekannte Komponist und sein Spätwerk am Ende unter die Rassengesetze und so ist die Uraufführung auch eine Wiedergutmachung für den Meister.

Alberto Franchetti (1860-1942) war ein vielgespielter Opernkomponist, zusammen mit den berühmten Kollegen Puccini (Tosca, La Bohème) Mascagni (Cavalleria rusticana), Leoncavallo (Der Bajazzo) und Giordano (Andrea Chénier), mit dem er sogar gemeinsam komponierte. Franchettis Studium fand nach Ausbildung in Italien - in München und Dresden (1926-28) seine Vollendung und verweist nicht bloß auf die Anerkennung, die deutsche Musik inzwischen im von Opern verwöhnten Italien genoss, sondern auch auf die für seine Musik wichtigen kompositorischen Einflüsse wie Robert Schumann, Carl Maria von Weber, dem „Übervater“ Richard Wagner, Richard Strauß u.a.

Die Nach-Verdi-Zeit brachte den Stil des Eklektizismus hervor, das Ineinander-Verschmelzen unterschiedlichster Stile und auch das Musik-Drama, in dem Handlungsmusiken und Arien ineinander übergehen. Das macht beides dem Hörer schwerer, Komponisten und Werke wiederzuerkennen. Die berühmten “Schlager“ oder die „Ohrwürmer“ wie bei Verdi oder Puccini findet man kaum mehr. Franchetti integriert diese europäischen Einflüsse jedoch gekonnt in italienische Canzonetten, Kirchenmelodie, Tanzweisen seiner Heimat, so dass das Ergebnis eine überraschend hörbare, klangvolle und temperamentvolle Synthese ward wie in einem wunderbaren Ave Maria gleich zu Beginn. In den Händen von GMD Jens Georg Bachmann modellierte die Erzgebirgische Philharmonie die Musik wunderbar einfühlsam und steigerte die Klänge zu emotionaler Dichte. Besonders sensibel gelang die Führung des Solisten- und Chorensembles.

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Aber worum ging es? Dem Dorfgeistlichen Don Geronimo Buonaparte (László Varga) wird in seiner toskanischen Heimat von einem französischen Soldatencorps mitgeteilt, dass sein einst kleiner Neffe Napoleoncino nunmehr in Paris Kaiser der Franzosen geworden ist und der Onkel als Kardinal an der Krönung teilnehmen soll. Das Dorf ist aus dem Häuschen: Ruhm, Geld und Ehre, ja gar die große Welt winken den bescheiden lebenden Leuten. Alles dreht durch, nur der vernünftige Pfarrer erbittet vom befehls-und stimmstarken General (Jinsei Park) Bedenkzeit.

Erschrocken geht Don Buonaparte in sich, betet, während im Hintergrund der Bühne seine (filmische) Vision eines in Purpur gekleideten Kardinals vor dem Hochaltar unter dem Schlingrippengewölbes der Sankt Annenkirche abläuft! Doch ganz weltliche Pflichten rufen ihn in die Realität zurück: Marias (Bettina Grothkopf) hübsches Mündel Mattea (Neuengagement Sophia Keiler) soll verheiratet werden mit dem Kirchendiener Maso ( Corentin Backès a.G.), der schön singt, sich jedoch in der Liebe anstellt. Und nun sind Franzosen im Dorf und Mattea verliebt sich ausgerechnet in einen solchen Korporal (Kerem Kurk a. G.), brennt mit ihm durch. Alle durcheinander und entsetzt, von der Haushälterin des Pfarrers (Maria Rüssel), der Pflegemutter  bis zum General, der den Korporal erschießen lassen will.

Nun blüht Don Buonaparte auf. ER sieht ein, dass sich die Liebe nicht unterdrücken lässt: „Glaube-Liebe-Hoffnung, aber die Liebe ist das größte unter ihnen!“ Er traut das Paar und es steht unter seinem Schutz. Alles gut, aber er vermittelt seinem Volk und dem General, dass er in der geliebten Heimat bleiben und den Menschen beistehen möchte. Eine sehr späte Napoleonkritik, der ganz Europa mit seinen Familieprotegés überzog und allemal eine Ablehnung jeglicher übergriffigen Machtansprüche.

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Das ganze Ensemble in Hochform (Regie und Ausstattung: Der in Budapest lebende Italiener Lev Pugliese)  und am besten da, wo eindringliche Chöre (Leitung: Daniele Pilato) stimmlich, tänzerische und kämpferisch musiktheatralisch agierten. (Leider geben das die Standfotos des Theaters nicht wieder; Fotos: Ronny Küttner, Photoron.) Aber genau da hat auch die  Musik gerade am meisten zu bieten und erinnerte entfernt vielleicht an Werner Egks „Zaubergeige“.

Dass das ganze Werk in italienischer Sprache lief, war nur für die Künstler eine zusätzliche Herausforderung, das Publikum wurde durch deutsche Übertitel informiert und mithilfe filmisch bewegter Toskana-Ansichten (Film und Schnitt: Dominik Kwetkat) zwischen den Akten in Stimmung versetzt. Dazu trug auch das detailreiche Bühnenbild bei, vielleicht etwas zu spätromatisch-spitzwegig, aber Kompliment an die Werkstätten!

László Varga in der Hauptrolle war ideal besetzt; er gestaltet mit seinem Bass eine Figur, die Respekt erzeugte, aber von Verständnis für die einfachen Menschen durchdrungen ist. Warme Klänge, auch voller Inbrunst und Verzweiflung als Gegensatz zum Kraftbass des Generals Jinsei Parks, der die Bühne zum Dröhnen brachte. Vonseiten der Regie hätte der Buonaparte-Rolle ein wenig mehr Skurrilität a la Don Camillo gutgetan..., weil zu viel des „Guten “ leicht die Würze fehlt. Kontrastisch die Tenöre dazu: Alles schöne Stimmen, so die flehenden, ja verzweifelten Töne des abgeblitzten Maso, der auch noch im Kirchturm eingesperrt zuschaut wie seine Mattea einen anderen küsst. Der Gegenspieler, französischer Korporal. ist gar kein junger Schönling, - dafür überzeugte sein klares Timbre in der Liebe. Und dann noch unser Richard Glöckner als Bauer und dann v.a. als  Advokat bei den drei verrückten Ganoven a la comédia del arte: Stimmlich und flink bewegt, brilliert er geradezu und spielt, dass man sein hübsches Gesicht mal vor Begeisterung vergessen durfte.

Der Zweite im Trio: – ein ausgekochter Mönch, Volker Tancke (Chorsolist!), boshaft und scheinheilig mit seinem Bass; und schließlich Jakob Hoffmann (neu als Bariton am Hause) als Hauptmann und im Trio: der Ritter,  mit schmierigem Charme und in der Stimme männlich-klar.  Die Drei umgarnen Don Buonaparte ohne Glück. Amüsiertes Publikum und wirkliches Musik-Theater. Nicht leicht zu singen in dieser Bewegtheit. Sei an dieser Stelle die unsichtbare, aber hörbare akribische Korrepetition,- das ist die Einstudierung für die Sänger am Klavier- durch Karl Friedrich Winter  und Markus Teichler gewürdigt.

Die Herren alle umkränzt von weiblichen Stimmen: Der warme Mezzo von Maria Rüssel (Haushälterin), dann die besorgte, flehende, ängstliche von Bettina Grothkopf gespielte Mutter Maria, sehr dramatisch im Ärger. Der  klare Sopran Sophia Keilers (Diplom 2022) als Mattea hatte Gelegenheit sich im Stück langsam zu entwickeln: eine Art Aufblühen ihrer Stimme zum Höhepunkt ihrer Verliebtheit. Schöne Erwartungen für die Zukunft.

Die Uraufführung war eine lohnende Entdeckung, eine exzellente Ensembleleistung und man sehe es den Italienern, v.a. dem Komponisten und dem Regisseur nach, dass sie im Unterschied zu uns eine etwas verklärte Sicht auf katholische Priester haben. Aber vielleicht auch nicht?! Gerade in den Extremen der faschistischen Verfolgung des politischen Widerstandes und der Ausrottung der jüdischen Bevölkerung haben, mit Ausnahme des „päpstlichen Schweigens“, Priester unter Einsatz ihres Lebens  oft Überleben sichern helfen. Daran sei hier erinnert. Am Ende jubelnder Dank des begeisterten Publikums.

Eveline Figura, Fotos: Ronny Küttner, Photoron/Theater Annaberg


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