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Juli 2023



Heimat und Menschenbild: Zum Tod des Malers Gottfried Rothe

Der Nestor der Annaberger Kunstmaler Gottfried Rothe, ist am 22.6.2023, nach 95 Jahren eines langen, schaffensreichen Leben, verstorben. Viele Jahrgänge von Schülern, Kollegen und Kunstliebhabern weit ins Land hinein schätzten seine Inspirationen, seinen kritischen Blick und seine Präsenz. In seinen Werken thematisierte er seine Heimat, Naturphänomene und sein immanentes Menschenbild.

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Gottfried Rothe mit seiner Frau bei einer Vernissage von Robert Schmiedel im Erzhammer. Foto: privat

Der kleine Mann mit der weißen Mähne war bei unzähligen Veranstaltungen im kulturellen Leben  der Stadt am Pöhlberg unübersehbar. Insbesondere bei den Treffen der Mitglieder und Besucher im Kunstkeller in der Wilischstraße fehlte er fast nie.  Er war im dortigen Verein, zusammen mit seiner Ehefrau Bärbel Rothe, -selbst Fotografin, Gründungsmitglied. So präsentierte er bei vielen Gemeinschaftsausstellungen seine Malerei und Zeichnungen. Landschaftsmotive von ihm schafften es als Dauerwerke in die ´Galerie erzgebirgischer Landschaftskunst´ ins Schloss Schlettau. Auch in öffentlichem Räumen der Großen Kreisstadt Annaberg-Buchholz ist Gottfried Rothe u.a. im Rathaus präsent.

Natürlich hat er auch seine Frau Bärbel Rothe inspiriert, lange Zeit, die kleine Galerie im ersten Stock des Ratsherrencafés zu organisieren, wo beide mit eigenen Werken hervor traten, aber auch wichtige Künstler, darunter viele junge aus dem gesamten Umkreis bekannt machten.
Einer der treuesten Mitstreiter und Besucher waren Rothe und Frau auch in der ABC-Galerie im Neubaugebiet, die u.a. lange von Heide-Lore Staub, der ehemaligen verdienstvollen Leiterin des Kulturhauses Erzhammer geleitet wurde. Gottfried Rothe wusste um die Notwendigkeit der Kunstverbreitung gerade dort, wo wenig davon vorhanden ist oder wo z.B. älter Menschen sonst schwer zu ihr finden könnten.   

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Gottfried Rothe, Pöhlbergrundgang, Kreidezeichnung von 1995. Abb: privat

Gottfried Rothe wurde 1928 in Annaberg geboren. Nach dem zweiten Weltkrieg, der vielen jungen Leuten das Leben, den Überlebenden mindestens oft die beruflichen Entwicklungschancen raubte,  studierter er zunächst Kunsterziehung in Erfurt, später bei Prof. Wegehaupt und Prof. Homberg an der  Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Was sich nach „Brotberuf“, anhört als Kunstlehrer zu arbeiten, entpuppte sich in der DDR als hochqualifizierte Ausbildung und Vermittlung in den Künsten. Nicht wenige Absolventen dieser Schulen wurden tatsächlich später freischaffende Künstler. Rothe war dann viele Jahrzehnte Lehrer an der Erweiterten Oberschule in Annaberg (die damalige Bezeichnung für Gymnasium) und noch im St. Annen-Gymnasium bis 1993. In den Fächern Kunsterziehung, Deutsch und weiteren Fächern, ja sogar kurzzeitig als Vertreter des Chorleiters Hans Kinkel war er unzähligen Schülern bekannt.

Das war eine Zeit, in der die sog. Nebenfächer ernst genommen wurden, mit Akribie gepflegt und betrieben. Zum wichtigen Umfeld der Arbeit gehörte die Anleitung von Zirkelarbeit am Nachmittag in der Schule oder auch im Malkreis der Annaberger Kollegen. Dort fand er auch bereits Maler mit überregionalem Erfolg vor wie z.B. Carl-Heinz Westenburger (1924-2008), der auch heute immer wieder Besucher von Ausstellungen begeistert mit seinem farbstrahlenden Bildern, Ausdrucks starken Grafiken, der in früher Zeit schon als Denkmalpfleger und Naturschützer galt.

rothe 3 (Andere)Auch Rudolf Manuwald (1916-2002) gehörte zu diesem Kreis. Phantastisch dessen kontraststarke Gemälde und berühmt dessen Holzschnitte unserer Bergwelten. Gottfried Rothe war unter diesen Schwergewichten der eher zurückhaltende Beobachter. Seine Landschaftsskizzen sind zart, aber anrührend. In seiner letzten Personalausstellung im Kulturzentrum Erzhammer hatte er sich dem Thema Bäume verschrieben. Er liebte Menschen, mit denen er gerne über Themen ins Gespräch kommen konnte, zum Beispiel am Künstlerstammtisch im „Türmer“, und so ist es kein Wunder, dass manche  Bäume, Sträucher bei ihm in Menschengestalt erschienen. Seine Menschendarstellungen waren wie Gleichnisse imaginärer Wesenheiten. Nur selten wurde er konkret wie bei Heinrich Köselitz, alias Peter Gast. Der große Annaberger, der mit Nietzsche und dessen Werk kämpfte, der komponierte und über den Annaberger Rand in die Welt schaute, den hat Rothe konkret mit wehendem Haar und imposantem Bartwuchs abgebildet. Wie er kam dieser auch ins geliebte Annaberg zurück und beschäftigte sich sogar mit Mundartdichtung. Gemeinsam ist diesen Künstlern denn auch die Nähe zum Gebirge, zum fast täglich Gang auf den Pöhlberg, in dessen Nähe beide wohnten. Dort frönte Gottfried dann auch seiner Sammelleidenschaft erzgebirgischer Volkskunst. Der alte Familien-Weihnachtsberg befindet sich heute im Schnitzerheim in Schlettau, gegenüber dem Schloss, wo er liebevoll betreut und gewartet wird.

Eigentlich gehört Gottfried Rothe wegen seiner Verdienste um die Jugend und um die bildende Kunst als Maler-Figur in unsere große Weihnachtskrippe in der Bergkirche: Ein Maler mit wehendem Weißhaar fehlt da nämlich noch.

Eveline Figura

Eveline Figura