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THEATER ABC

 

 

August 2023



„Herz über Bord“ - mit Schmiss auf den Greifensteinen

Das vom üppigen Spielplan des Eduard-von Winterstein-Theaters Annaberg verwöhnte Sommerpublikum bekam mit Eduard Künnekes vergessener Operette eine Premiere mit guten sängerischen, spielerischen, getanzten und musikalischen Leistungen geboten.

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Alle Fotos: Dirk Rückschloss.

Es muss zunächst hier unbedingt immer wieder erwähnt werden, was von unserem Theaterensemble über den ganzen Sommer, von Juni bis Ende August, geleistet wird. Andere Häuser bringen  e i n Stück im Freien über einen gestreckten Zeitraum von 6 Wochen, Annabergs Theater dagegen Kinder- und Jugendstücke, Schlager-Revue a la Roland Kaiser, Sagen-Inszenierungen und auch noch Musiktheater. Für alle etwas und sogar das Wetter spielte meistens mit. Intendant Moritz Gogg begrüßte wie immer mit seinem österreichischem Charme, das Publikum und griff in die vorletzte Spielzeit, wo mit der komischen Oper „Der reichste Mann der Welt“ (Benatzky) der Bayrische Operetten-Jahres-“Frosch“ gewonnen werden konnte, eine Preis, der unser Ensemble vor das der Wiener Volksoper u.a. größere Häuser katapultierte.

Mit Hilfe von Mitteln des Theater-Vereins, so Rolf Schubert, dessen Vorsitzender, konnte die Inszenierung auf DVD herausgebracht und nun als Erinnerung erworben werden. Gleichzeitig ist die letzte Premiere auf den Greifensteinen auch Anlass auf die kommende Spielzeit zu verweisen mit einem wie immer reichhaltigem Programm, mit dem THEATERFEST am 9.9.2023 neben dem Theater - und dem 29. THEATERBALL des TheaterVereins unter dem Motto „Nacht der Träume“ in den Sälen des Kulturzentrums „Erzhammer“ am 11. und 12. November 2023.

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Aber nun zur Künneke-Operette zurück, die 1935 uraufgeführt wurde, es mit großem Erfolg unter der Stabführung des Komponisten in Zürich gespielt wurde, und es bis an den Broadway schaffte. Für Fans des Genre möchte ich über die Entstehungszeit des Werkes aus einem sehr bekannten Operetten-Führer von Otto Schneidereit (1961) zitieren, der gekonnt die historische Situation in Berlin umreißt: „Das gesamte öffentliche Leben war reif für die Satire, vor allem für die Operette. Aber es gab keine Operette mehr, denn die bürgerliche Gesellschaft war einer solchen aggressiven Kunstgattung längst nicht mehr fähig. Die Arbeiterklasse aber trug sich im Augenblick mit anderen Sorgen. Die Operette, die sich im vorigen Jahrhundert in Wien in eine populäre komische Oper verwandelt hatte und in Berlin nach 1900 zur Revue oder Großstadtsingspiel, blieb bei diesen Richtungen. Als nach 1925 eine gewisse Besserung der …Lage einzutreten schien, kam der Rundfunk und gab dem müden Johannistrieb der europäischen Operette die Möglichkeit einer  … Renaissance. Die drei Richtungen, die von etwa 1920 ab als Operette galten: ´Leháriade´, Singspiel und Revue, wechselten in den folgenden Jahren wahllos, sogar innerhalb der Werke ein und desselben Komponisten. Das zeigt sich am deutlichsten im Werk Eduard Künnekes.“

In seinen mehr als zwanzig Werken findet man diese Stil-Mix, der seine Werke eher aufpeppte und den Modeerscheinungen von Schlagertrends öffnet, aber auch die meisten Werke beliebiger machte und vielleicht zu deren Vergessen beitrug. Die Ausgrabung “Herz über Bord“ verdiente das jedoch nicht. Aus der simplen Verwechslungskomödie wurde in der Regie und Choreographie von Oliver Pauli mit vier jungen Sängerdarstellern eine spritzige, klangvolle, bewegte Aufführung. Unter der erfahrenen musikalischen Leitung von Kapellmeister Dieter Klug gelangen die Orchestereinspielungen und Choraufnahmen (Daniele Pilato) einmal mehr, zusammen mit der Live-Performance der Sänger, ohne klangliche Brüche. Man spürte das Engagement und den Spaß fürs Genre deutlich in der musikalischen Qualität.

Die Handlung ist einfach: Lilli, verlobt mit Albert, macht eine 50.000-Mark-Erbschaft unter der Bedingung, ihren Jugendfreund Hans zu heiraten, der mit Gwendolin liiert ist. Auf einem Kreuzfahrtschiff findet die Schein-Hochzeitsreise statt und es passiert wie´s sein soll: Man verliebt sich  „über Kreuz“ und beim Happy End findet auch noch ein Seemänner-Liebespaar sein Glück. Als Lilli sang Magdalena Hallste mit kräftigem Sopran und spielte selbstbewusst ihre Erbin-Rolle  aber nicht gegen ihren Jugendfreund Hans aus, der seine Bänkerkarriere noch vor sich hat. Timo Rößner sang mit kräftigem Tenor; in der Höhe fehlte noch ein wenig Geschmeidigkeit im Tibre und im Spiel wäre etwas Überzeugung bei der keimenden Verliebtheit angebracht. Das zweite Paar der Übriggebliebenen waren die temperamentvolle Ungarin Zófia Szabó als Gwendolin in Eifersucht und perlender Stimmlichkeit, ja  eleganter Bewegtheit

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Der an unserem Theater einzig fest angestellte Sänger Richard Glöckner gab den Albert. Der, hin- und hergerissen von veränderter Partnersituation findet sich schnell ins neue Glück mit Plinzeln zu Männlichkeiten, sang mit weichem tenoralem Charme seine Bufforolle. Man darf ihm im Ensemble gewachsene sängerische und spielerische Sicherheit bescheinigen und auf die Zukunft setzen. Sein Kuplé „In der Liebe bin ich leider nur ein Piccolo“ war nicht nur der einzige bekannte Titel, sondern auch noch mit einer weiteren Strophe von ihm ergänzt worden. Künneke hat seinen Sängern anspruchsvolle Vielfalt komponiert, manchmal ins Opernhafte manierierend, dann wieder flirrend oder in verschiedene Tanzschritte gleitende: Fox, Swing, Paso Doble, Tango, Charleston-Anklänge. Bis auf gefühlige Liebesduette sind alle Gesänge mit Tanz verbunden, was die Solisten so gut meisterten wie die Mitglieder des Chores. Der Regisseur hatte es zudem verstanden, auch die Nebenrollen zu akzentuieren.

Leander de Marel spielt den blonden Käpt'n wieder überzeugend, diesmal mit nordeutschem Zungenschlag und auch László Varga quirlt als Felix-Freund über die Bühne, seinen Bass diszipliniert in die Masse integrierend. Jeder an seinem Platz und Tim Teichert als Erster Offizier mit der immer gleichen Pointe „Hundert Prozent!“. Schließlich Marie-Louise von Gottberg als „komische Alte“Tante Adele, die von der Hochzeit überzeugen muss, ein wenig zu überdreht gespielt und zu altmütterlich ausgestattet. In dieser Rolle hätte ich mir Evelyn Künneke, die wahre Tochter des Komponisten, und als singendes „Theaterpferd“ berühmt gewesen, gut vorstellen können. Ansonsten Kostüme elegant und Bühnenbild als dampfenden Dampfer, mit Rettungsboot für Verliebte, alles zweckmäßig überzeugend (Ausstattung: Martin Scherm). Die Operette, eine oft Totgesagte, lebt. Und wie!

Gespannt darf man aber wegen der vielen Gäste auf Neuengagements im Solistenensemble sein. Einige Vakanzen werden frei und manche bewährten Sänger sieht man mit Bedauern gehen, hatten sie sich doch große Beliebtheit erarbeitet und waren vielseitig beschäftigt gewesen wie der Bariton Jason-Nandor Tomory. Aber die Wege in Annaberg zum Theater sind ja nicht so weit...

Eveline Figura

Weitere Vorstellungen:
20./24./27.8.2023, jeweils 15 Uhr; 
www.naturtheater-greifensteine.de/ticketshop
Servicebüro Am Markt 9, Annaberg-B.,
Tel.:03733-1407-131