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Januar 2023



Hopfen und Malz

In Annaberg-Buchholz war am 21. Januar 2023 die Uraufführung einer Operette von Daniel Behle und Alain Claude Sulzer zu bestaunen. Ein neues Musiktheaterwerk hat erfolgreich das Licht der Welt erblickt.

Zur Welturaufführung war es voll im Annaberg-Buchholzer Theater. Viel auswärtiges Publikum und reichlich Presse hatten sich das Kommen nicht nehmen lassen, trotz starken Schneefalls im Erzgebirge.

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Die bisherigen Sieger des Bierbrauwettbewerbes. Opernchor des Eduard-von-Winterstein-Theater und László Varga (Mitte, als Horst Flens). Fotos: Dirk Rückschloß / Pixore Photography

Die Operette ist ganz klassisch aufgebaut und beginnt mit einer ausführlichen Ouvertüre, schmissig dirigiert von Jens Georg Bachmann, welche die Lust auf das Folgende weckt. In „Hopfen und Malz“ geht es um zwei Orte an der norddeutschen Küste, welche einen jährlichen Bierbrauwettbewerb austragen. Da gibt es natürlich das junge Liebespaar, Eltern, Pilger auf dem Jakobsweg, einen Mönch mit einem Bierrezept und ganz wichtig, Schafe und bayrische Biergeister.

Schließlich wird in der „Wolfsbucht“ bei Vollmond – und sehr gelungener Beleuchtung - Bier gebraut. Genügend Stoff also für ein unterhaltsames Stück. Jedoch dehnt sich der erste Akt beinahe bis zur Langeweile, die Figuren machen einen recht holzschnittartigen Eindruck und der Witz wird immer flacher und gleitet spätestens bei religiösen Fragen in den Klamauk ab. Mit durchaus gemischten Gefühlen geht man nach 90 Minuten in die Pause.

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Zwei durstige Pilger. V.l.n.r.: Jakob Nistler (Ischias), Madelaine Vogt (Senta) und Richard Glöckner (Klaus).

Ab dem zweiten Akt nimmt die Geschichte jedoch Fahrt auf. Das Tempo stimmt und nun greift alles wie ein Uhrwerk ineinander. Die Figuren geraten in Konflikte, gewinnen dadurch an Schärfe und die Darsteller verkörpern die daraus resultierenden Emotionen mit vollem Einsatz. Im Schwung wirken die Witze auch nicht mehr bemüht und man registriert mit Heiterkeit, die vielfältigen Anspielungen auf andere Opern, wie etwa den fliegenden Holländer, den Freischütz, Fidelio und etliche mehr.

Der in den vorangegangenen Bierbrauwettbewerben unterlegene Ort bekommt beim Mönch ein Bierrezept, welches ganz unerwartet gut ist: Es bewirkt, dass das Innerste nach außen dringt. In cervisiea veritas. Eine Mutter findet daraufhin ihren lange verschollenen Sohn wieder. Diesen tröstet die gefundene Familie über die Trennung seiner Freundin hinweg. Die nun nach außen dringende und eigentlich ganz tragische Lebensgeschichte des Mönches wird nicht weiter vertieft, erklärt aber dessen Obsession für die Sünde. In den Figurenkonstellationen finden sich plötzlich ganz moderne Gedanken wieder. Schließlich findet das Liebespaar zueinander und die seit Jahren unterlegene Ortschaft gewinnt selbstverständlich den Wettbewerb.

Das Ganze spielt sich bei neuer und durchaus sehr differenzierter Musik (Daniel Behle) ab. Den einzelnen Figuren ist ein eigenes musikalisches Thema zugeordnet und jeder Sänger bekommt im Laufe des Abends sein Solo. Man merkt, dass der Komponist ebenfalls Sänger ist: Es werden keine gesanglichen Unmöglichkeiten verlangt. Viele Kleinigkeiten der Handlung sind ganz punktgenau und lustig in die Musik eingearbeitet.

Auch im Libretto (D. Behle und Alain Claude Sulzer) finden sich gute Einfälle, besonders im ersten Teil wäre aber der ein oder andere Strich nötig. Nun weiß man aber von vielen älteren Werken, dass man heute in der Regel nicht die Erstfassung zu sehen bekommt. Manch ein Werk ist auf der Bühne noch gereift.

Man fragte sich mitunter, warum die Autoren das Stück nach Norddeutschland verlegt haben. Hätten hier Regie (Jasmin Solfaghari) und Ausstattung (Walter Schütze) nicht ihr Möglichstes getan, wäre der Ort nur Staffage geblieben. Eine typisch norddeutsche Charakteristik ist keiner der Figuren gegeben. Regionale Besonderheiten, wie etwa das Spökenkiekerische, kommen zwar vor, aber doch mit einem sehr großstädtischen Blick auf dieselben. Das gleiche gilt für die durchaus angerissenen zeitgenössischen Probleme.

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Bierbrauen in der Wolfsbucht. V.l.n.r.: Opernchor des Eduard-von-Winterstein-Theaters und Ivaylo Guberov (Max), Leander de Marel (Mitte, als Theophil) sowie Maria Rüssel (Letty).

Bei den Sängern ist mir besonders die gesangliche Qualität der Gäste aufgefallen, also Jakob Nistler als Ischias und Ivaylo Guberov als Max Fisch, auch wenn deren Operngestus zuweilen auf große Bühnen abgestimmt war und weniger auf das groß geratene Wohnzimmer des Annaberger Hauses. Maria Rüssel als Letty Fisch und Jason-Nandor Tomory als Bernd hinterließen ebenfalls einen starken Eindruck. Renate Behle (Cervisia) und Leander de Marel (Mönch Theophil) beeindruckten mit ihrer jeweils fast fünfzigjährigen Bühnenerfahrung.

Richard Glöckner verkörperte glaubhaft den jungen, naiven Burschen. Mitunter fehlte es der Stimme etwas an Kraft, aber das wird noch werden. Manche Rollen wie etwa Horst Flens (László Varga) oder Senta (Madelaine Vogt) waren im Libretto so simpel angelegt, dass den Darstellern wenig Platz zur Entfaltung blieb.

Die heimlichen Stars der Aufführung waren übrigens Yuta Kimura, Jinsei Park, Lukáš Šimonov und Volker Tancke. Diese Herren sangen die Schafe, die bayrischen Biergeister und später die Juroren des Bierwettbewerbs. Insbesondere die Schafe verdienen den Ausdruck genial! Der Chor unter Leitung von Daniele Pilato verdient ebenfalls Lob für Gesang und Spielfreude. 

Insgesamt ist „Hopfen und Malz“ eine sehr ordentliche Leistung mit Potenzial für zukünftige Aufführungen. Lassen Sie sich von der neuen Musik und den vielen Verweisen in die Welt der Oper überraschen.

Eva Blaschke

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