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September 2023



Wohnen in selbst gestalteter Geschichte: Zu Besuch bei Siegfried Illing

Der bekannte und geschätzte Kunstfreund hat aus seinem Wohnhaus in Annaberg-Buchholz ein Wohn-Museum gestaltet.

Einem der Wehrtürme der Annaberger Stadtmauer in der Turnergasse 13 gegenüber, ist ein belebtes Museum erwachsen. Jeder Raum atmet Stadtgeschichte mit Dokumenten, Artefakten und nachgebauten Architekturelementen. Selbst der langen Familiengeschichte wird Tribut gezollt. Gerne zeigt der Hausherr sein Geschichtsreich. Aus gründlicher Vorbereitung zur Gestaltung der Ausstellung „Die Mauern von Annaberg“ kam auch die Idee, den  ehemaligen Wehrturm in der Turnergasse, heute kaum sichtbar in ein Wohnhaus integriert, zu kennzeichnen. Er sollte als gemaltes Wandbild am alten Ort erscheinen. Da machte der ehemalige Werbefachmann und Messebauer Siegfried Illing den Vorschlag, am alten Ort ein Betonrelief anzubringen, haltbarer und stimmiger zum verschwundenen Objekt. Es ist ein liebevoller Erinnerungsort daraus geworden, der an die 520-jährige Geschichte hier erinnert.

illing (Andere)


Dabei muss dem kreativen Kunstfreund beim herrlichen Blick aus seinem Wohnzimmerfenster auf die monumentale St. Annenkirche auch der Gedanke gekommen sein, in seinem Haus aus dem 18. Jahrhundert ein inneres, ja inniges Gesamtkunstwerk zu gestalten. So hat er aus Betonguss ein gotisches Fenster samt einem kursächsischen Wappen neben dem schönen Ausblick angebracht, auch an die in historischen Chroniken zu erinnern, die die Anfänge, das „Berggeschrey“ um den erzgebirgischen Silberabbau aufzeigen.  Dabei sind viele Bücher und Dokumente, die das stützen und wo der Hausherr genau weiß, wo was steht. An der Küchenwand prangt ein Stadtrelief aus seiner Hand in Betonguss, dass aber filigran die Stadtstruktur nachempfindet.

illing 2 (Andere)Im Hausflur sind die Stadtbrände aufgelistet, darunter der größte von 1604, der die gerade wundervoll gewachsenen Stadt (gegr.1497 auf Geheiß Georg des Bärtigen ) mit inzwischen  mehr Einwohnern  als Dresden, in Flammen aufgehen ließ. Nur die Wenigsten, nur die Reichsten lebten in Steinhäusern; die Holzbauten wurden zum Opfer der Flammen und von Neid. Es soll Brandstiftung im Spiel gewesen sein. Aber auf dem engen Stadtgebiet gab es auch zahlreiche Huthäuser, - Einfuhrgruben ins Bergwerk-, Schmieden und auch Schmelzöfen, die Funkenflug erzeugten. Auf dem Gemälde der St. Annenkirche von Antonius Heuser aus dem 16. Jahrhundert ist diese deshalb  noch mit einer anderen Turmhaube zu sehen als heute.

In der Küche von Illing ist auch die Ahnentafel seiner männlichen Vorfahren bis zu Moses Illing, 1525 zurück, zu sehen, elf Generationen; seinen Sohn und Enkel noch nicht mit gezählt. Sie waren Müller in Schlettau; vom Mühlstein bis zu Gefäßen ist die Küche  dekoriert. Die schöne Ruine der Mühle aus Gneissteinen steht noch im Schlosspark von Schlettau; dort wohnt nun ein Uhu. Der Hausrundgang in Annaberg zeigt weiter eine gotische Schlafkammer, Toilette heißt Latrine und Tafeln und Stadtpläne geben Auskunft. Natürlich gibt es auch ein Modell des bereits 1540 nach Einführung der Reformation auch in Annaberg aufgegebenen Franziskanerklosters.

An den archäologischen Grabungen und der Dokumentation, die an der Klosterruine/ im Finanzamt betrachte werden können, war Siegfried Illing beteiligt. Trotz der Zeugnisse der Geschichte  haben die nicht großen Räume in seinem Domizil lichte Gestaltung und den Ordnungssinn stilvoller Nutzung. Der „Stadtführer“ im eigenen Haus hat Ordnung in Schüben und Kästen und geschulter Geschmack führt sozusagen Jahrhunderte zusammen.

illing 3 (Andere)Siegfried Illing hatte in seiner Ausbildung zunächst Malerei bei Arthur Wirth geübt, einem Künstler, der nach den Bombardements von Chemnitz in Annaberg ein  Zuhause fand, danach lernte er bei Rudolf Manuwald,  zeichnen und Grafik und begann mit der Lehre als Gebrauchswerber, 1960 wurde er vom Handelsministerium Berlin ausgezeichnet und übernahm Messegestaltungen in Leipzig, wurde Leiter einer Werbeabteilung. 1982 übernahm er die Gestaltung einer Gaststätte in Bulgarien. 1996 verantwortete er die Ausstellung „Die Mauern um St. Annaberg“ und löste verantwortungsbewussten Umgang und Restaurierungen sowie Aufmerksamkeit um die Baugeschichte aus. 2002 folgte die Ausstellung „Franziskanische Spuren in Annaberg“, anlässliche 500 Jahre Franziskanerkloster der Stadt, der einst vorletzten Klostergründung in Sachsen. 2016 wurde nun das Haus an der Stadtmauer vorgenommen, in dem der mobile Historiker,- siebenundachtzigjährig- geschichtsträchtig mit seiner Lebensgefährtin wohnt.

Es ist ihm zuzutrauen, dass er es mit anderen Historikern schafft, das Standbild des Stadtgründers Herzog Georg des Bärtigen in dessen „Annaberg, die Liebste“ wieder zur Aufstellung zu bringen.  Das Denkmal, einst 1897 an der Promenade der Stadtmauer eingeweiht, wurde Anfang der Siebziger geschleift von einseitig Geschichts vergessenen Stadtvätern.

Eveline Figura (Text und Fotos)

Der Hausherr führt  gerne interessierte Besucher in kleiner Anzahl durch sein Domizil; um
Voranmeldung wird gebeten. Tel.: 03733-175-64 22 740, Turnergasse 13, 09456 Annaberg-Buchholz.