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Juli 2023



Ein Hipp-Hopp-Bettelstudent

Auf der Seebühne Kriebstein wird in diesem Sommer „Der Bettelstudent“ gegeben. Eigentlich kann man mit dieser Operette und der  fabelhaften Musik von Carl Millöcker nicht viel falsch machen. Aber in diesem Fall hat der Regisseur versucht, Operette mit Musical zu kreuzen.

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Oberst Ollendorf (Frank Blees) mit dem Offizierscorps, Foto: Detlev Müller

„Ach ich hab sie doch nur auf die Schulter geküsst!“ Der sächsische Gouverneur in Krakau, Oberst Ollendorf, küsst die polnische Grafentochter und wird von dieser dafür geschlagen. Da Ollendorf eine Frau nicht zum Duell fordern kann, beschließt er einen raffinierten Racheplan. Der Strafgefangene Simon, ein verkrachter Bettelstudent, wird mit viel Geld als Fürst vorgestellt, um Laura unstandesgemäß zu verheiraten. Im Zeitalter von Scheidungen und Doppelverdienerhaushalten macht man sich kaum noch eine Vorstellung davon, dass diese Heirat seinerzeit das Leben der Frau ruiniert hätte. Da es eine Operette ist, geht am Ende aber alles ganz anders und natürlich gut aus.

Als Regisseur für das Stück wurde von dem Mittelsächsischen Theater der Musicalregisseur Stephan Brauer engagiert. Und dieser versucht über weite Strecken auch sicht- und hörbar den Bettelstudenten als Musical zu inszenieren. Gleich in der ersten Szene treten der Kerkermeister Enterich (Schauspielerin Conny Grotsch mit Sprechgesang) und zwei Gefängniswärter, besetzt mit zwei Musicalsängerinnen, auf und man bekommt beim Klang einen Ruck, aber keinen positiven. Dann folgt das Offizierscorps – wieder Musicalsänger/innen, diesmal mit Hipp-Hopp Einlagen und man fragt sich missgelaunt, ob das den ganzen Abend so weiter geht.

Verstehen sie mich nicht falsch. Ich gehe auch gern in Musicals und weiß einen guten Musicaldarsteller zu schätzen. Aber bei einer Operette wird die Schönheit durch einen solchen Einsatz arg geschmälert und man erkennt nicht, worin der Gewinn liegen soll. Auch wurde die Textverständlichkeit deutlich herabgesetzt, zusätzlich zu vorhandenen tontechnischen Schwierigkeiten. Schön kann so etwas eigentlich nur jemand finden, der noch nie eine Operette mit in klassischem Gesang ausgebildeten Sängern erlebt hat. Ich möchte die beteiligten Musicalsänger nicht herabsetzen, sie leisten in ihrem Metier sicher ordentliches. Meine diesbezügliche Kritik richtet sich ausdrücklich nur an die Regie bzw. den für die Besetzung Zuständigen.

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Die Seebühne Kriebstein, Aufführung „Der Bettelstudent“, Foto: Detlev Müller

Nach dem ersten Schrecken stellte sich glücklicherweise heraus, dass die Hauptrollen „klassisch“ besetzt sind. Den Oberst Ollendorf gab Frank Blees ganz wunderbar gestaltet in Stimme und Spiel. Die Kränkung und Wut waren in der Auftrittsarie genau deutlich zu hören, wie später Verschlagenheit und Triumph. Den Titelhelden in Gestalt des Bettelstudenten Symon Rymanowicz sang Frank Unger mit unglaublich viel Charme und kräftigen Tönen bei gleichzeitig rührigem Spiel sowie exzellenter Aussprache. Er bildete mit Lindsay Funchal (als Laura) ein schönes Paar. Frau Funchal verlieh Ihrer Rolle Schönheit und Liebreiz in Stimme und Aussehen.

Der zweite Student Jan Janicki wurde vom Musicalsänger Yannik Gräf gegeben. Herr Gräf verfügt über gutes Stimmmaterial, ist optisch ein Gewinn und mit engagiertem Spiel dabei. Aber im Duett mit der Sopranistin Ines Vinkelau (sehr ordentliche Leistung als Bronislawa) wurden die Grenzen der Musicalausbildung hörbar. Da in der Handlung auch deutliche Striche vorgenommen worden sind, hatten beide nicht allzu viele Möglichkeiten, ihr Können zu zeigen.

Von viel Erfahrung und Witz getragen wurde die Rolle der Gräfin Palmatica, gesungen von Susanne Engelhardt. Die gute Leistung von Mykyta Berezniak als Zofe Onuphrie ging im Gewühl beinahe unter. Ein großes Lob geht an Andrea Eisensee für Bühnenbild und Kostüme. Gleiches gilt für die Maske. Beides verleiht der Aufführung einen deutlichen optischen Mehrwert.

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Laura (Lindsay Funchal) und Simon Rymanowicz (Frank Unger), Foto: Detlev Müller

Ein unerwarteter Mitspieler war das Wetter. Passend zur dramatischen Entwicklung während der Hochzeitsfeierlichkeiten verdunkelte sich der Himmel, Wind und Regen setzte ein und selbstsichere Künstler verwendeten dies gleich mit in ihrem Spiel. Im letzten Akt saß das Publikum unter Poncho oder Schirm. Und am Ende der Vorstellung wurden die Hauptdarsteller von Fans mit Fotowünschen umringt. Auch in dieser Möglichkeit liegt der Reiz eine Naturbühne.

Die Seebühne Kriebstein erreichen Sie übrigens am besten mit dem Auto. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommen sie per Bahn über Chemnitz, Mittweida und dann mit Bus bis Kriebstein Wendeschleife zwar hin, aber abends nicht wieder zurück. Übernachtungsmöglichkeiten sind vor Ort jedoch gegeben. Die ganze Talsperre ist als Naherholungsgebiet umbaut. Auch Fahrten auf dem Stausee sind stündlich möglich, die Burg Kriebstein liegt nahe bei. Überhaupt hat das Gebiet mit viel Wasser und hohen Bäumen seinen Reiz. Ein Theaterabend mit Sonnenuntergang über dem See sollte man einmal erlebt haben.

Eva Blaschke

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