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Dezember 2023



Operette in Annaberg: Der Fürst von Pappenheim

Eine schrille, bunte und höchst unterhaltsame Operette wird derzeit am Theater Annaberg-Buchholz gegeben. „Der Fürst von Pappenheim“ spielt in der Inflationszeit der 1920er Jahre und ist verblüffend aktuell.
 
Hugo Hirsch schrieb diese Operette, welche erst sehr populär war, sogar mehrfach verfilmt wurde, dann aber in Vergessenheit geriet. Das Buch stammt von Franz Arnold und Ernst Bach, die Liedtexte sind von Willi Kollo. Im Grunde werden die Probleme einer dekadenten, wohlhabenden Schicht in Zeiten wirtschaftlicher Not beschrieben. Vielleicht hatte man in den späteren Jahrzehnten andere Sorgen. Es ist sonst schwer erklärlich, warum dieses Stück von den Spielplänen verschwand.

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Aktfinale mit dem ganzen Ensemble, Fotos: Dirk Rückschloß / Pixore Photography.

Die Inflation ist hoch und die betuchten Kunden halten ihr Geld zusammen. Es muss sich dringend etwas ändern oder das Berliner Modegeschäft Pappenheim steht vor der Pleite. Als schließlich Prinzessin Stephanie nichts kaufen will, sondern stattdessen auf der Suche nach einer Anstellung ist, verfällt man auf eine sehr moderne Marketingstrategie. Stephanie wird als Mannequin engagiert und soll die Mode des Hauses als Prinzessin an der Riviera spazieren führen. Gewissermaßen Influencer Marketing vor der Erfindung des Internets.

Die Geschäftsinhaberin Camilla fährt als Anstandsdame mit und der mit allen Wassern gewaschene Verkäufer Egon Fürst koordiniert diskret den Verkauf. Im Gefolge der Prinzessin wird aus ihm schnell „Der Fürst von Pappenheim“ und er sieht keine Veranlassung, dies zu korrigieren. Stephanie verliebt sich in Hektor, welcher vom Ehemann des zweiten Paares, Baron Katschkoff,  beinahe in den Selbstmord getrieben wird. Katschkoff ist ständig um die Ehre seiner Ehefrau Diana besorgt, welche er für die reine Unschuld hält. Diana war vordem Mannequin bei Pappenheim und Geliebte des Prinzen Sascha. Und Prinz Sascha soll nach dem Willen der Familie eigentlich Prinzessin Stephanie heiraten.

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Prinzessin Stephanie (Sophia Keiler) mit Prinz Sascha (am Boden: Christian Wincierz) und Egon Fürst (Richard Glöckner).

Es dauert drei Akte bis endlich alle zueinander gefunden haben, wobei die Paarbildung beinahe in den Hintergrund tritt. Die eigentliche Hauptrolle in dieser Inszenierung spielen die Mode und ihr Verkäufer Egon Fürst. Christian von Götz verantwortet neben der Inszenierung auch die Ausstattung, sodass alles auf einander abgestimmt ist. In den Möglichkeiten, die ein Modehaus auf der Bühne für die Kostüme bildet, wird geschwelgt und der Zuschauer hat seine Freude dran.

Bei purer Kostümierung wird aber nicht stehen geblieben. Da tragen Frauen Männersachen und Männer äußerst knappe Frauensachen und sehen gut darin aus. Das Ganze geschieht mit einer solchen Selbstverständlichkeit, dass es dem Zuschauer hinsichtlich queerer Identitäten neue Perspektiven eröffnet. Die Inszenierung kommt als sprühender Farben- und Formenrausch daher, gelegentlich vielleicht etwas zu dick aufgetragen, gerade für eine kleine Bühne. Aber das ist meckern auf hohem Niveau.

Der Star des Abends ist ohne Zweifel Richard Glöckner als Egon Fürst. Er gibt den fischelanten, Kleid tragenden Verkäufer derart natürlich, dass man sich den Sänger in dem Moment kaum anders vorzustellen vermag. Er hebt das Stück und trägt auch über manche allzu seichte Stelle hinweg. Einen sehr guten Eindruck hinterlässt auch der neue Bariton des Hauses Jakob Hoffmann als Hektor. Ich bin gespannt, zukünftig mehr von ihm zu hören.

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Egon Fürst (Richard Glöckner), Prinzessin Stephanie (Sophia Keiler) und Camilla Pappenheim (Stephanie Ritter).

Sehr gefallen hat mir auch Sophia Keiler als selbstbewusste und ausdrucksstarke Prinzessin. Auch Maria Rüssel überzeugt mit schöner Stimme, welche in einer Operette vielleicht etwas weniger nach Oper klingen könnte. Und Leander de Marel (als Onkel der Prinzessin und Mannequin!) bewegt sich mit wenigstens fünfzig Jahren Bühnenerfahrung ohnehin wie ein Fisch im Wasser. Christian Wincierz zeigt großes schauspielerisches Talent, indem er den Prinzen Sascha mit einem Rest an Würde spielt, obwohl ihn Kostüm und Handlung ständig der Lächerlichkeit preisgeben wollen. László Varga scheint als Knallcharge großen Gefallen an seiner Rolle zu finden, was auf das Publikum überspringt.

Überhaupt sind alle, auch nicht näher ausführte Rollen, mit großer Spielfreude und Lust bei der Sache. Die Choreographie (Leszek Kuligowski) kann sich sehen lassen, der Chor (Chorleitung Daniele Pilato) macht seine Sache gut, auch wenn er ab und an in der Inszenierung untergeht. Das Orchester spielt nach anfänglich zu hoher Lautstärke sehr gekonnt und bringt weites gehend unbekannte Musik zu Gehör: „Mit der Mitropa durch Europa“ oder „Und zum Schluss schuf der liebe Gott den Kuss“. Einziger ernsthafter Kritikpunkt ist, dass man deutlich hätte kürzen können: Im ersten Akt sowieso und im dritten Akt bald noch mehr.

Insgesamt hat die Aufführung aber nicht nur mich überzeugt. Sie hat bereits den Monats-Operettenfrosch des Bayerischen Rundfunks gewonnen.

Eva Blaschke

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