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Juli 2023



Zarewitsch mit gutem Ende

Fällt Ihnen auf Anhieb eine Operette ein, die schlecht ausgeht? Haben Sie zu Silvester schon etwas vor? Zu beiden Punkten hätte ich da etwas für Sie.

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Die Mitwirkenden der Gala inklusive des hübsch anzusehenden Extraballetts, Foto: Janine Haupt

Das Lied „Es steht ein Soldat am Wolgastrand“ kennen Sie sicherlich. Es stammt aus der Operette „Der Zarewitsch“ von Franz Lehár. Darin bereitet sich der junge russische Thronfolger mit asketischer Strenge auf sein zukünftiges Amt vor. Aus diesem Grund hat er auch noch keine Erfahrungen mit Frauen, ja er geht diesen geradezu aus dem Weg. Die Familie ist hinsichtlich seiner Fähigkeit zur Ehe besorgt. Dem Zarewitsch wird eine als Tänzer verkleidete Frau vorgestellt, was dieser jedoch schnell durchschaut. Er geht jedoch auf den Vorschlag des Mädchens ein, sie scheinbar zur Geliebten zu nehmen, um von Seiten seiner Familie Ruhe zu haben.

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Links Sir John Falstaff (Frank Blees) und rechts Tante Charly (Andreas Kuznick). Foto: Janine Haupt.

Und dann kommt es, wie es kommen muss: Die beiden verlieben sich tatsächlich und nun sollen sie sich trennen, denn er muss standesgemäß heiraten. Die beiden bleiben trotzdem zusammen und fliehen. Doch als der alte Zar stirbt, folgt der Thronfolger schweren Herzens der Pflicht und entsagt seiner großen Liebe. Die Musik ist wunderschön und als Zuschauer mit nur ein wenig Gemüt sind Sie hinterher mindestens drei Tage deprimiert.

Am Mittelsächsischen Theater hat man von der Presse bisher unbeachtet das große Kunststück vollbracht, dieses Stück mit deutlichen Strichen noch zu verbessern. Unter dem Titel „Eigentlich sollte heute der Zarewitsch kommen …“ wird in einer halbszenischen Gala das Ganze mit einer Rahmenhandlung versehen. Tante Charley und Sir John Falstaff spielen auch mit; und wie! Da werden Geschlechter-, Alters- und Theaterprobleme auf die Schippe genommen, sodass mit herzlichem Gelächter nicht gespart werden muss. Die Aufführung gewinnt dadurch den Ton einer heiteren Operette. Sie balanciert gekonnt zwischen Komik, Tragik, Kitsch und Satire. Auch die großen Emotionen kommen nicht zu kurz. Und natürlich kann es auch nicht tragisch enden, da sei Tante Charly vor!

Am Mittelsächsischen Theater scheint man sich gedacht zu haben, man nehme Alles, was an außergewöhnlich gutem Personal zur Verfügung steht und packe es in ein Stück. Zunächst benötigt man einen ordentlichen Zarewitsch, den singt und spielt Frank Unger jugendlich-melancholisch, später erblühend. Gesanglich scheint ihm diese Partie außerordentlich gut zu liegen. Die Tänzerin Sonja wurde in der besuchten Vorstellung von Lindsay Funchal klangschön als unverdorbenes, sympathisches junges Mädchen gegeben.

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Im Vordergrund der Zarewitsch (Frank Unger) mit Sonja (hier Désirée Brodka). Foto: Janine Haupt.

Das Dienerpaar Iwan und Mascha singen Alexander Donesch und Susanne Engelhardt. Hier wurden zwei Musicalspezialisten genommen, die sichtlich Spaß miteinander und am Spiel hatten. Die Gesangsnummern werden von beiden teilweise wie Musicallieder interpretiert und trotzdem hatte man den Eindruck eines vollendeten Buffopaares.

Das Komikerpaar geben Frank Blees (Falstaff) und der Schauspieler Andreas Kuznick (Tante Charley). Ersterer ist ein erfahrener Spielbass mit großem komischem Talent und letzterer erweckt umgehend den Wunsch, ihn einmal als Charleys Tante im gleichnamigen Stück auf der Bühne zu sehen. Auch der Dirigent José Luis Gutiérrez spielt glänzend im doppelten Sinne mit, da das Orchester mit auf der Bühne sitzt. Die Regie dieses unterhaltsamen Abends verantwortet Urs Schleif.

Besondere Beachtung verdienen auch die unterhaltsamen Texte der neuen Rahmenhandlung. Diese sind im Mittelsächsischen Theater (von wem eigentlich?) geschrieben worden. Solche Erweiterungen bergen immer das große Risiko eines Missgriffs, da man mit der Textqualität ja mindestens an das Originallibretto heran reichen muss. Hierfür scheint man im Haus aber gute Kräfte zu besitzen, denn bereits beim konzertanten „Fidelio“ 2019 war die erweiterte Textfassung bemerkenswert gut gelungen.

Von meiner Seite gibt es also eine klare Besuchsempfehlung, denn dass Stück zählt für mich zu den schönsten der vergangenen Spielzeit. „Eigentlich sollte heute der Zarewitsch kommen …“ wird im Dezember 2023 mehrfach in Freiberg und Döbeln zu sehen sein. Am Sylvestertag 2023 wird es zweimal Freiberg gespielt. Der Kartenvorverkauf startet am 1. August.

Eva Blaschke

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