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Februar 2024



Was für ein Doktor Dolittle! - Theater Annaberg

Deutsche Erstaufführung des Musicals „Doktor Dolittle“ von Leslie Bricusse in Annaberg-Buchholz

Das Eduard-von-Winterstein-Theater in Annaberg-Buchholz ist seit vielen Jahren für selten gespielte Werke bekannt. Mitunter gibt es dort Stücke, bei denen man sich auf Grund ihrer Qualität verblüfft fragt, warum man davon vorher noch nie gehört hat. So geschehen im Februar 2024 bei der deutschen Erstaufführung des Musicals „Doktor Dolittle“ von Leslie Bricusse.

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Die Flucht aus dem Irrenhaus mittels eines Ballons. Oben mittig László Varga als
John Dolittle. Fotos: Dirk Rückschloß / Pixore Photography

Vielleicht kennt der geneigte Leser den Film Doktor Dolittle nach den Büchern von Hugh Lofting. Nein, ich meine nicht den von 2020 und auch nicht jenen von 1998 mit Eddie Murphy, sondern die Verfilmung von 1967 mit Rex Harrison in der Hauptrolle. Wenn Sie diesen Film kennen, sind Sie auch über die Handlung des besprochenen Musicals gut unterrichtet. Falls nicht, kommt hier die Zusammenfassung:

Doktor Dolittle muss vor Gericht erscheinen, denn man wirft ihm vor, eine Frau in den Kanal geworfen und damit umgebracht zu haben. Vor Gericht wird nach und nach sein Leben ausgebreitet. Es entsteht das Portrait eines Arztes, der sehr viel mehr mit Tieren anfangen kann, als mit Menschen. Der daraufhin folgerichtig Tierarzt wird und die Sprachen der Tiere erlernt. Nach und nach erkennt man, dass der Außenseiter Doktor Dolittle ein herzensguter Mensch ist, der sich für die Belange der Tiere einsetzt, wo es sonst keiner tut. Ja, wo die meisten Menschen die Not der Tiere nicht einmal sehen!

Die in den Kanal geworfene Frau stellt sich schließlich als Robbe heraus, die aus dem Zirkus fort und ihren Mann am Nordpol besuchen wollte. Obwohl nun die Unschuld des Doktors erwiesen ist, wird er ins Irrenhaus eingewiesen, da er offenkundig nicht der Norm entspricht. Was sich in diesen Zeilen vielleicht etwas lächerlich und kindisch liest, ist es auf der Bühne keinesfalls. Trotz des beständig heiteren Tones sind die dahinter stehenden Themen sehr ernster Natur. Ganz großes Theater also.

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Das Zirkusdirektorenehepaar Blossom (Leander de Marel und Bettina Grothkopf) mit einem Kopf des seltenen Lamas.

Buch, Musik und Songtexte des Musicals stammen aus der Feder von Leslie Bricusse. Und alle Teile sind ihm gut gelungen. Das Buch ist klar strukturiert, mit überraschenden Wendungen und Einschüben. Die Texte sind mit Witz und Raffinesse geschrieben, unterhalten und vermitteln neue Einsichten. Die Musik zieht damit gleich und ist keinesfalls  flach und eintönig, was bei Musicals mitunter vorkommen kann.

Dem Inszenierungsteam gebührt der Verdienst diese gute Vorlage nicht verstellt, sondern die einzelnen Szenen und Musiknummern gut herausgearbeitet zu haben, allen voran natürlich der Regisseur und Ausstatter Markus Olzinger. Seine Devise scheint zu sein, dass weniger manchmal mehr ist. Und dass Freiraum die Fantasie anregt. Ein Konzept, das bei diesem Werk hervorragend aufgeht. Aber auch die Kostüme (Martin Scherm) können sich sehen lassen, die Choreographie ist sehr gut (Amy Share-Kissiov) und der eigentlich kleine Chor (Leitung Daniele Pilato) klingt beachtlich. Das Orchester (musikalische Leitung Dieter Klug) entfaltet gekonnt klangliche Vielfalt.

Die Hauptrolle ist mit László Varga hervorragend besetzt. Den Fremdling in der Welt, der die Schlechtigkeit seiner Mitmenschen nur schwer verstehen kann, gibt er sehr überzeugend. Singen kann er sowieso und ein Opernsänger in einer Musicalrolle verleiht dieser Intensität und Ausdruck. Ganz beachtlich ist auch die Leistung von Matthias Stephan Hildebrandt als Richter Bellowes. Man erkennt in so viel Selbstgerechtigkeit und Überheblichkeit der Figur manches von seinen Mitmenschen wieder.

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Der Opernchor als Hippie-Kommune. Was für Tanzeinlagen!

Leander de Marel kostet seine Rollen erkennbar aus. Einmal als Zirkusdirektor Blossom, (ja, ein Zirkus und ein zweiköpfiges Lama kommen auch vor.) vor allem aber als Schneller Ochse, dem Gründer eines Naturschutzgebietes samt Hippie-Kommune. Überhaupt machen alle Darsteller eine gute Figur, auch die hier nicht namentlich aufgeführten.

Das ganze Stück ist kurzweilig, unterhaltsam, immer lustig mit ernsten Tönen gleich unter der Oberfläche. Ernsthafte Kritik gibt es keine. Der Gesang war nicht immer gut zu verstehen, aber die Hauptaussagen wurden transportiert. Irritiert hat mich vor dem Beginn der Aufführung, dass ich (in Unkenntnis des Films) überhaupt nicht einschätzen konnte, ob es ein Kinder- oder Erwachsenenstück sei. Die Antwort lautet: Es ist genauso ein Kinderstück, wie etwa „Das doppelte Lottchen“ oder „Das fliegende Klassenzimmer“ angeblich Kinderbücher sind. Es ist ein Märchen, ein Traum für kleine und klein gebliebene, dessen Besuch unbedingt empfohlen wird.

Eva Blaschke

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