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THEATER ABC

 

 

Oktober 2024




Begeisternde „schwarze“ Opernpremiere

Mit der zweiten Ausgrabung einer Oper von Michael William Balfe am Annaberger Theater, seiner Oper „Satanella oder die Macht der Liebe“, gelang mit ganzer Ensemble-Kraft und dreier exzellenter Gast-Leistungen ein schaurig schöner, musikalisch überraschend wunderbarer Theaterabend, eine deutsche Erstaufführung dazu.

satanella 1 (Andere)
Fotos: Dirk Rückschloß/ETO

Man darf der Theaterleitung bescheinigen, ein „Händchen“ zu haben für feine Stoffe mit guter Musik. Mag dazu beitragen, dass der Intendant lange Jahre an einem großen Haus selbst auf der Musik-Theaterbühne stand und sich heute gute Leute an seine Seite holt, die nicht einer privaten Klientel zugerechnet werden müssen, sondern was von der Materie verstehen, wozu der Regisseur des Abends, Christian von Götz (auch verantwortlich für die düstere Ausstattung), ohne Zweifel zur rechnen ist. Hat er doch bereits die erste gezeigte Oper von BALFE, dessen „Falsstaff“ überzeugend auf die Bühne gebracht. Dazu das hiesige Ensemble und die Erzgebirgische Philharmonie unter GMD Jens Georg Bachmann (Kapellmeister Dieter Klug dirigiert ab der dritten Vorstellung), einem mit aller Dramatik vertrautem Klangkörper, der entscheidend das Erfolgsgeschehen auf der Bühne mitgestaltetet.

Die Pressevorstellung vor der Premiere, zu der die englischen Herausgeber, Valerie Langfield und Philip Carli, anwesend waren, und Dramaturg und Ensembleleitung begeisterte Worte fanden, trug jedoch kaum zur verständlichen Nahelegung der Inhalte bei. Eine Woche vorher fand fürs Publikum eine „Kostprobe“ genanntes „Premierenschaufenster“ statt, wo zumindest dafür etwas versucht wurde und die musikalische Qualität aufscheinen durfte.

Die Handlung umfasst mehr Mystik als Realität. Zu Letzterer gehört ohne Zweifel eine drastische Gesellschaftskritik des Viktorianischen Zeitalters im England des 19. Jahrhunderts. Das Geld ist der Götze, hat man es nicht, wird darum gespielt und verloren oder geheiratet. Die Liebe bleibt auf der Strecke und kann auch mit Teufelsaustreibung und -beschwörung nicht gerettet werden. Die gute Seele kommt am Schluss mit viel Primbamborium in den Himmel oder stirbt dramatisch. All das ist zu sehen und das Publikum muss sich durch die Handlung tasten wie in einem Restaurant, wo das Licht gelöscht wird, um den Geschmack zu sensibilisieren. Entschädigung kam aus dem Orchestergraben und von den Sängern.

Bettina Grothkopf als Lady Stella ist das erste Opfer, die verlassene Geliebte von Ruppert. Wie alle anderen Damen und Männer in schöne schwarzem Gewänder gehüllt. in schwarzem Spielsalon. Trotz schöner dramatischer Töne kann sie den Geliebten nicht von der Heiratsabsicht mit der reichen Lelia (Maria Rüssel- sehr zart agierend) abbringen, wird schließlich aus dem Weg geräumt. László Varga wieder ausdrucksstark mittendrin; als was aber? Vater, Bruder, Konkurrent? Die Handlung indes bewegt sich in einem Rahmen; dort beobachtet der Geistliche, Pater Braccacio (Jacob Hoffmann, als Bariton nur einmal stimmlich auftrumpfend-) feinfühlig um das Leben des verzweifelten Carl ( Richard Glöckner) kämpfend, um dann doch zum Exorzist zu werden. Beide zusammen eine eigene Inszenierung wert!

Satanella (Sarah Chae, a.G.aus Südkorea und frisch diplomiert, schon erfolgreich) ist mit ihre glasklaren Sopran der gesangliche Höhepunkt des Abend und prädestiniert, ihre Liebessehnsucht zu Rupert und zu Gott auszudrücken und schließlich in den Himmel zu fahren, -von der Regie allzu dick aufgetragen die religiöse Transformation. Schließlich lebt das Publikum nicht mehr im England Mitte des 19. Jahrhunderts. Rupert selbst von Martha Tam androgyn gespielt, aber vom Wiener Tenor Martin Mairinger im schwarzen Trikot von der Gasse aus eindringlich mit gefühliger Kraft gesungen. Diese notwendige Regiekonstruktion war wegen seiner Verletzung gefunden und erwies sich schließlich als begründeter Teil der Figurenzeichnung.

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Eine ebensolche Dopplung von DarstellerIn und Sänger benutzte die Regie bei Arimanes, der Teufelin. Verena Hierholzer akrobatiesierte die Figur im „Zauberwald“, während er Bass Wenzheng Tong (a.G.) den Ton aus ihrem Munde röhrte. Zwischen allem hatte das Publikum sich zurecht zu finden, waren doch im Programmheft nur Namen gegeben und nicht, wer wer ist. Aber Egal: Viel Theater mit toller Musik, Belcanto vom Feinsten, mal Verdi, mal Bellini, mal Puccini, aber doch viel Balfe, der über dreißig Opern verfasste.

Hervorragend am Erfolg beteiligt an diesem Abend der Opernchor des Theaters, woanders längst als „Chorsolisten“ benannt. Es hat hier in den vergangenen Jahren ein Entwicklungsprozess stattgefunden: Auswahl und Schulung unter verschiedenen Chorleitern. Hier Kristina Pernat Scancar. Und nicht nur Wohlklang, Kraft und Dynamic war zu hören, sondern wirkliche bewegte Menschen wahren zu sehen - wahres Musik-Theater. Bravo! Das Publikum zeigte Begeisterung und verloren hatten nur die, die ihre Plätze frei ließen, weil in der Ankündigung der unbekannten Oper nicht genug Mut gemacht wurde, Ungewohntes an sich ran zulassen. Einmal mehr stimmte: Theater ist nicht alles, aber ohne (solches) Theater ist alles nichts!

Das trifft umso mehr für unser Annaberg-Buchholz zu, wo der Zuschauer quasi mit auf der Bühne sitzt. Und auf den „Barbier von Sevilla“ im neuen Jahr darf sich mit diesem Ensemble auch derjenige freuen, der immer wieder Gewohntes hören will.

Eveline Figura

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