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Gegründet 1807
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Dezember 2025
Operette in Bestform: „Die gelbe Lilie" am Theater Annaberg
Die Premiere „Die gelbe Lilie“ war nicht nur einmal mehr eine deutsche Erstaufführung auf der Bühne des Annaberger Theaters, sondern auch wunderbare ungarische Musik, gute Interpretationen, eine Liebesgeschichte mit historischen Tiefen und Besetzungsüberraschungen.
Fotos: Dirk Rückschloß/Theater Annaberg
Die Theaterleitung unter Moritz Gogg verfolgt ihre Linie und die Überzeugung, dass es sich lohnt, aus dem Kosmos der vergessenen musikalischen Werke wahre Schätze zu heben. Dazu gehört ohne Zweifel die Operette „Die gelbe Lilie“ (Ungarische Rhapsodie). Die ans Herz gehende Musik ist von Michael Krasznay-Krausz, der im Show- und Revue- verrückten Berlin der Zwanziger bis Anfang Dreißiger mit „Eine Frau von Format“ mit der Legende Fritzi Massary 1927 einen Riesenerfolg erzielte und sogar von der Berühmtheit wie Imre Kálmán mit einem Plagiatsvorwurf verklagt wurde. Das konnte entkräftet werden, schöpften doch beide Komponisten und andere Berühmtheiten im Style Hongroise aus Melodiensammlungen ungarischer Volksmusik (Ungarische Rhapsodie). Die gehört bis heute zu den faszinierenden Weltmusiken, zu denen der Csárdás eben gehört, wie der Argentinische Tango, der Flamenco, die Musettes und die Kunstmusiken des Walzer, von moderneren Kreationen hier mal abgesehen.
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Aber warum wurden diese Werke vergessen? Der Komponist war wie damals viele seiner Künstlerkollegen Jude und reiste über Wien nach Budapest, wo er jung verstarb und die dortigen Exzesse in den 40er Jahren nicht mehr miterleben musste. Aber sein Werke wurden seit 1933 in Deutschland und 1938 in Österreich nicht mehr aufgeführt, vergessen. Der Regisseur Christian von Götz hat in Köln kürzlich „Frau von Format“ inszeniert und auch mit seinen Inszenierungen Preise nach Annaberg geholt (BR Operettenfrosch). Der Regisseur ging denn auch hier gründlich zu Werke (Libretto von Geza Herczeg, István Zagon, nach Lajos Biró) und hat selbst mit seiner neuen deutschen Textfassung auch historische Inhalte integriert. So wurde die Standes- und Liebesgeschichte um Erzherzog Stefan (Angus Simmons) und der Grundbesitzerstochter Judith Pereny (Zsófia Szabó), die eigentlich am Ende der Kaiserzeit spielt, eingebunden in eine Zeitbild von verblassender, lächerlicher K&K-Militär-und Adelsdünkelei, deren einige Mitglieder in den nunmehrigen Dreißigern spielend, dem Antisemitismus verfallen und so tragisch Lebenswege abschneiden.
Ein wenig viel für eine Operette, mag man meinen. Und tatsächlich erschien besonders am Anfang die Verballhornung der K&K-Militärpersonen als kreischende Trottel (besonders durch die Überziehungen von Juliane Prucha; -nur deren Fürstin Mutter war überzeugend.) kontraproduktiv. Die spätere Verquickung der Offiziere in die Judenverfolgung wurde damit zur Farce. Darauf hätte die Dramaturgie unter Lür Jaenike achten sollen, wenn dem Regisseur mal die Pferde durchgehen. Dazu kam noch, dass im ganzen Stück zu viel mit unbegründeten androgynen Verkleidungen gearbeitet wurde. Nur jene Darsteller, die konsequent auf Charakterisierung achteten, konnten dabei überzeugen. So bei den Militärs der Oberstleutnant Graf Thurzó-Illesházy von Bettina Grothkopf, der den Vierteljuden Max von Hessen (Richard Glöckner) in den Tod treibt. Besonders berührend dieses Ende, weil Richard Glöckner dieser Figur gesanglich und darstellerisch Profil gab. Oder auch der Bräutigamsanwärter, Dr. David Peredy (Martha Tham), der durch die weibliche Besetzung Zartheit und Zurücksetzung widerspiegelt, gelang Effekt.
Aber nun zum Erfolg des Abends. Der wurde vor allem durch die herrliche ungarische Musik, die der Dirigent Markus Teichler aus den Originalpartituren rekonstruiert hatte und temperamentvoll mit dem Orchester zelebrierte, erzielt. “Bravo“, aber doch oft zu laut gespielt, v.a. die Bläser. Da ging mit Markus Teichert wohl die Begeisterung durch. Die qualitätvollen Sänger wie Zsófia Szabó und der neue Bariton Angus Simmons hätte locker ohne Mikroports vielleicht noch inniger geklungen. Die Szabó war schon eine Klangklasse für sich mit ihrem Gefühl für die ungarische Melodik und Rhythmik.
In den Liebesszenen im romantischen Land- und Wald-Ambiente (Ausstattung ebenfalls Michael von Götz) glänzte dann auch Angus Simmons mit seinem männlichen Timbre und seinem jugendlichen Temperament gar nicht erzherzöglich, sondern eher volksverbunden wie einst Erzherzog Johann von der Steiermark. Wunderbar sympathisch wieder Judiths Vater, Mathias Peredy (KS Leander de Marel), der als selbstbewusster Grundbesitzer sein Judentum verteidigt. Dazwischen lacht, singt perlend und tanzt Freundin Mica (Malina Höfflin) und verliebt sich in Max von Hessen. Eine zauberhafte Fee am Abend, die zu Beginn noch etwas steif wirkte. Überhaupt hat es die Choreographin Katharina Glas mit ihren funkelnden Tanz-Ideen geschafft, zwischen den Spielszenen Weichheit und ja, Operettenverrücktheit zu etablieren. Komplimente an alle tanzenden Interpreten für die Rückkehr in die goldenen Zwanziger.
Zum Höhepunkt des Abends spielte und bewegte sich László Varga, einmal als Wirtin Bokor – eine Volksfigur- und dann distinguiert, aber menschlich, als Baronin Gleichingen, um den jungen Herzog von seiner Liebe zu Judith Pereny abzuhalten. Stimmlich warm und passend sein Akzent, sparsam aber zugewandt in den Bewegungen, ohne Allüren, einfach herrlich. Seinen Ritterschlag erhielt er dann auch von dem bekannten Literaturkritiker Dennis Scheck, der ganz außer sich war vor Lob. Sei ihm nach vielen Jahren als Publikumsliebling von Herzen gegönnt. Und es ist ja wirklich nicht so einfach, als Vielbeschäftigter immer auf Stereotype zu verzichten. Ebenso überraschend Dienstmädchen Cilli: Verena Hierholzer sang und tanzte wie eine Zauberfee durch das romantische Bühnenbild; reizend anzusehn und zu -hören. Auf eine beachtliche Karriere darf sie blicken, u.a. als Olympia in Köln oder mit einer für den Opus Classik nominierten CD.
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Dem ganzen Ensemble, dem Chor unter Kristina Pernat Scancar, der Dynamik der Ensembles, ist der bejubelte Erfolg des Abends anzurechnen. Und die Operette lebt als klang- und gefühlvolles Genre der heiteren Muse, umso mehr, wenn historische Hintergründe behutsam integriert werden können. Die Krone des Abends gehört der ungarischen Musik; es sind die im Volke tief verwurzelten Melodien, die vom Opernhaus, vom Operettentheater, von dem berühmten 100-köpfigen Zigeunerochester, der Primasschulen, oder an der Musikakademie Budapest gepflegt werden. Aber immer mehr verschwindet die „Cigány zene“ aus den kleinen Csárdás´ am Balaton, weil sie von nationalistischen Weltbild der rechten Politikern schon wieder als artfremd abgetan werden, obwohl die Roma 600 Jahre in Ungarn leben. Und was wäre die Operette ohne den Csárdás in der „Fledermaus“, die Lehár-Operetten, die Kálmán-Klänge oder gar die Ungarischen Tänze eines Brahms, den „Harry János“ Kodálys. Einen guten Zipfel dieser schönen Musik haben wir nun also in Annaberg-Buchholz, ein Stück gutes Ungarn und eine Wiedergutmachung an einen jüdischen Musiker und sein Werk.
Weitere Vorstellungen, Details und Karten
Eveline Figura
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