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Lehrer der „alten Schule”
Hugo Vogel - den Generationen kannten, fürchteten und liebten. Persönliche, möglicherweise leicht verklärende Erinnerungen an ein Konstrukt aus strengem Pädagogen und väterlichem Freund, der vor 110 Jahren geboren wurde und vor 20 Jahren in Annaberg starb.
„Du bist mir Lehrer gewesen seit meinen frühsten Jahren, hast mir geöffnet die Tür, weit in das musische Reich. Fromm warst du, ernst und gelehrt und den Sitten ein strenger Gebieter, unermüdlich im Fleiß, vatergleich, emsig besorgt...”
Mit diesen Worten dankt der alternde Paul Fleming (1609-1640) aus dem erzgebirgischen Hartenstein seinem einstigen Lehrer für dessen Einfluß auf das Leben und Schaffen des leidgeprüften Dichters, der die Nöte und Schrecken des Dreißigjährigen Krieges aus eigenem Erleben in seinem Werk anschaulich reflektiert hat. Auf den etwa 300 Jahre später geborenen Hugo Vogel aus Annaberg treffen die Worte Flemmings in ähnlicher Weise zu, besagen sie doch, dass es zu allen Zeiten Lehrer gab, die zuvörderst wegen ihrer charakterlichen Eigenschaften pädagogische Langzeitwirkungen im Verhalten ihrer Schüler auslösten und somit in deren Erinnerungen haften blieben.
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Herr Hugo Vogel war mein Lehrer für Biologie, Sport, Deutsch, Schulgarten und für eine Lebenskunde, wie sie vermutlich kein Lehrplan vorsehen kann. Mit unvergleichlichem pädagogischen Geschick hat er mehreren Generationen Möglichkeiten für spätere Lebenswege eröffnet. Dabei waren ihm bloße Wissensvermittlung oder sture Faktenpaukerei zuwider. Er war ein Pädagoge der „alten Schule”, - ein an Wissen reicher, Sprachen beherrschender, die Künste liebender, am Tradierten hängender und in allem ein äußerst disziplinierter Mensch. Ihm hat es offensichtlich die Mehrheit seiner ehemaligen Schülerinnen und Schüler zu verdanken, dass aus ihnen was „Ordentliches” geworden ist, vermittelte er doch jenes Etwas, was einerseits Bestand hatte in einer Zeit, die mitunter von übertriebener Fürsorge für den einzelnen gekennzeichnet war und das andererseits auch nach dem Zusammenbruch von Hoffnungen dazu beitrug, dass sich die wenigsten von ihnen zu unsympathischen Wendehälsen entwickelten. Hugo Vogel, der drei politische Systeme im Vergleich durchleben durfte, gab uns offenbar seinen Erfahrungsextrakt als Immunfilter mit auf den Weg, der uns in gewisser Weise gegen persönliche Katastrophen schützte. So sind die heute bereits ergrauten Klassenkameraden (die Klassenkameradinnen ergrauen bekanntlich nicht) als Unternehmerinnen, Ingenieure, Architekten, Kaufleute, Programmdirektoren, Chefredakteure u.v.a.m. aber auch – vielleicht auch aus Trotz - als Lehrer in ganz Deutschland und darüber hinaus verstreut tätig. Klassentreffen sind also auch wegen der großen Entfernungen, die sich zwischen Hugos Schützlingen von einst geschoben haben, heute kaum noch zu organisieren. Drei oder vier Mal hat man sich daher auch nur in den zurückliegenden mehr als 45 Jahren seit dem Schulabschluss getroffen, um sich mitunter als fremde Bekannte an längst vergangene Tage zu erinnern. Die meisten sind glücklich, auch dann, wenn sie nicht unbedingt zu den Glücklichsten gehören. Erstaunlich wenige nur hat die von ihnen so empfundene asoziale Marktwirtschaft mit ihrer ganzen Kälte und Unbarmherzigkeit getroffen - vielleicht auch dank Hugo. Dabei haben es die Knaben in den meisten Fällen zu etwas gebracht, von den Mädchen ist vermutlich nur eine über sich hinaus gewachsen, über die an anderer Stelle erzählt werden soll.
Erfolgreiche Menschenführung
Neben seiner Hauptleidenschaft, der behutsamen Führung von jungen Menschen ins Leben, galt Hugo Vogels großes Interesse in jungen Jahren, parallel zu seinen zahlreichen Studien der Malerei, der Musik und besonders - bis ins hohe Alter - dem Gesang. Gut kann ich mich noch daran erinnern, wie er neben mir jungen Spund, im damals renommierten Städtischen Chor Annaberg, heldisch-schön, einfühlsam-wohltönend oder auch manchmal angestrengt-wichtig seinen klirrenden Bariton zum Schwingen brachte. Mit großer Wahrscheinlichkeit habe ich ihm meine spätere Sänger-Laufbahn zu verdanken. Und das kam so: Mein Stimmbruch glättete gerade seine letzten Falten und der jungen Kehle entströmte ein erstaunlich tiefer, schwarzer Baß. Gottfried Baden, Musiklehrer seines Zeichens an der Pestalozzi-Schule in Annaberg (heute Landkreisgymnasium), und eine bachsche Urgestalt dazu - der übrigens nicht nur in der Kinderzahl seinem großen Vorbild nacheiferte - erkannte mein Stimmmaterial zwar zuerst und führte es der Klasse als erstrebenswerte (Berufs)Möglichkeit im Musikunterricht zu gerne vor. Vermutlich nicht ahnend, dass er damit bei mir eine seltsame Mischung von frühmännlicher Eitelkeit und spätpubertiver Scham hervor rief. Zumal die Klasse mit den kraftvollen Tönen ihres auch ansonsten sich recht auffällig gebenden Mitschülers sichtlich überfordert war. Die momentane stille Verblüffung ging allerdings recht schnell in ein zickenhaftes Gekicher in den Mädchenbänken über, das sich rasch mit einem mutierenden Gelächter aus der Knabenecke mischte, um sich in sieben-klässlerische Lachsalven hineinzusteigern, die weder von meinem sonoren Baß, der wohl gerade die Verleumdungsarie donnerte, noch vom spitzen Tenor des Bach-Verschnitts Baden übertönt werden konnten. Komischerweise hatte das Gebaren meiner Klassenkameraden keinen Einfluß auf meine Psyche. Normalerweise weigert man sich doch, die nächste Musikstunde zu besuchen, um in derselben derart vorgeführt zu werden. Mich störte der seltsame Applaus meiner zurückgebliebenen und kulturlosen Mitschüler - so dachte ich jedenfalls damals - nicht im geringsten, zumindest was die neidischen Knaben anging. Etwas anders war es schon bei den einstigen Jungfrauen. Doch, doch, diese Spezies gab es damals noch in den siebenden Klassen. Sie lächelten und kicherten nur, mitunter gepaart mit Unverständnis und Staunen, noch nicht mit Anerkennung und Bewunderung. Das kam erst etwas später… Eines Tages übte der Musiklehrer Gottfried Baden mit mir gerade das tiefe „E“ im „Büblein klein an der Mutterbrust”, um mich demnächst der gesamten Schüler- und Lehrerschaft bei einer Festveranstaltung in der Aula der Pestalozzi-Schule als seine Entdeckung vorzuführen. Da betrat der Vogel Hugo das ansonsten leere Musikzimmer, um diesen seltsamen Tönen im Original - und nicht mehr hinter der Tür - zu lauschen. Mehr noch: er war vermutlich auch gekommen, um selbst rotköpfige Töne zu produzieren und sie mit mir um die Wette in die tiefsten Tiefen hinab dröhnen zu lassen. Es war wohl das einzige Mal, wo ich aus einem Wettstreit mit ihm als Sieger hervor ging. Diese Tatsache muß den meist Erfolg gewohnten Mann derart beeindruckt haben, dass er mir nunmehr mit einem arg verknödelten Bariton und jovial theatralischer Geste eine Einladung zum Besuch der nächsten Probe des Annaberger „Städtischen Chores” überreichte. Eine Woche später verstärkte ich bereits an seiner Seite kurzzeitig dort den Chorbass, um wenige Wochen darauf vom feinfühligen und engagierten Chordirektor Werner Naumann mit zahlreichen Solopartien betraut zu werden und die Ehre hatte - für drei Mark pro Stunde - bei ihm meinen ersten Gesangsunterricht zu erhalten. Hugo war zeitlebens stolz auf mich, auf seine Entdeckung. Und ich bin ihm dafür ein Leben lang dankbar.
Kunstfreund und Komis-Kopp
Hugo Vogel, mein Lehrer, war es auch, der in den anderen Schulklassen um Nachwuchs für den leider heute nicht mehr bestehenden Chor erfolgreich warb. Ganze Familien schleppte er in die Chorstunden, die mehr waren als nur ein Sängertreffpunkt oder gar eine Liedertafel. Der „Städtische Chor” in Annaberg war eine laien-künstlerische Institution über die Grenzen der Stadt hinaus und eine soziale Oase für sangesfreudige Männer, Frauen und Jugendliche aus allen Schichten, die miteinander singen, lachen, reden, trinken, - kurz, sich in einer Gemeinschaft von unterschiedlich Gleichgesinnten wohl fühlen wollten. Darüber hinaus war dieses Kollektiv - im besten Sinne des Wortes - auch eine „Kupplerin“, denn schließlich habe ich dort meine künftige Schwiegermutter, ja richtig, - auch meine spätere Frau gefunden... Nur manchmal entdeckte man etwas am Verhalten des Vogel Hugo, das uns eigentümlich und fremd, mitunter auch recht unangenehm und so gar nicht zu seinem sonstigen Wesen passend vorkam. Eigenschaften, die erst Jahrzehnte später erklärbar scheinen. Wie hart, oftmals militant erschien er uns Schülern, wenn er von uns Exaktheit sowohl in den Formen als auch in den Inhalten verlangte. „Mittelfinger an die Hosennaht! Nase geradeaus gerichtet und Straffheit im musculus cluteus maximus!” Letztere Bemerkung rang uns nicht nur Bewunderung ob seiner exzellenten Lateinkenntnisse ab, sondern sie milderte auch die kadettisch strenge Form und zog das Ganze ins Heitere, zumal sich längst herumgesprochen hatte, dass es sich bei diesem lateinischen Begriff um den großen Gesäßmuskel, also den deutschen Arsch handelte - wie Hugo seine Übersetzung jedesmal genüßlich zelebrierte. Wahrscheinlich wirkte in diesen herben Phasen seines Unterrichtes jene Zeit nach, über die er zu uns Kindern kaum sprach. Heute erst weiß ich, dass Hugo Vogel, obwohl er nicht am „Russland-Feldzug” als Soldat teilgenommen hatte, mit seiner gefangengenommenen Division von den Amerikanern an die Sowjets übergeben wurde. „Skorko damoij” waren die hoffnungsvollen Worte nach dem Krieg, die ihn aber nicht etwa „bald nach Hause” schickten, sondern vielmehr lange 8 ½ Jahre russische Gefangenschaft - ohne gerichtlichen Nachweis individueller Schuld, wie er immer betonte - bescherten.
Aggressivität und Toleranz
Man munkelte in gewissen elterlichen Kreisen, dass sowohl er als auch die damaligen Russisch- und Zeichenlehrer bei der Waffen-SS gewesen sein sollen und deshalb so lange in Gefangenschaft gehalten wurden. Andererseits war es damals kaum denkbar gewesen, dass in der noch jungen DDR ehemalige Nazis wieder als Lehrer in den Schuldienst eingestellt wurden, anders bei der Armee oder im Verwaltungsapparat. Nicht erst seit heute wissen wir, dass es im anderen deutschen Staat offensichtlich zum guten Ton gehörte, eine braune Vergangenheit zu haben, um einer vergoldeten Zukunft entgegensehen zu können. Neuere Erkenntnisse und Dokumente belegen aber auch, dass die SED bei so manchem aus den unterschiedlichsten Gründen ein Auge zu drückte. Vielleicht war es aber auch der Mangel an gut ausgebildeten Lehrern, der beim Aufbau eines sogenannten sozialistischen Schulsystems die Verantwortlichen dazu zwang, solche überschaubaren und kontrollfähigen Kompromisse einzugehen. So makaber es auch klingen mag, aber der Russischlehrer Dietrich hätte nie in diesem Beruf arbeiten können, wenn er nicht so lange in russischer Kriegsgefangenschaft festgehalten worden wäre. Nur dem Zeichenlehrer Wohlgemuth hat das wenig genützt. Er kam als aggressiver und gar nicht wohlgemuter Kunstvermittler wieder, der bei uns Schülern jedes mal ängstliche Verwunderung auslöste ob seines Jähzorns über geringfügige Disziplinlosigkeiten solcher Typen, wie ich eine war. Dann kam es schon mal vor, dass der Farbkasten oder die gefüllte Alu-Waschschüssel quer durch das Klassenzimmer flogen, oder meine Eltern sich beim Klassenlehrer beschweren kommen mussten, weil die Beule an meinem Kopf - verursacht vom voluminösen und querfliegenden Schlüsselbund des Zeichenlehrers - beträchtliche Ausmaße angenommen hatte. Keine dieser pädagogischen Entgleisungen oder etwa die nachgewiesene faschistische Staatsnähe führten damals - jedenfalls nicht bei unseren Lehrern - zur Entfernung aus dem Schuldienst. Alle haben sie in Würde ihre Schwächen und Stärken an uns ausleben dürfen, um dann mit Anstand die Pensionierung zu erreichen. Es muss eine recht tolerante Zeit gewesen sein, - vielleicht aber auch nur hier oben im Erzgebirge. Schade, dass sich die verantwortlichen Schulbeamten nach der politischen Wende nicht mehr auf diese Zeit besinnen wollten. Viel unproduktives Leid wäre so manch einem staatsnahen Pädagogen nach der Wende erspart geblieben. Auch den Eltern, den Schülerinnen und Schülern sowieso, und dem Erzgebirge nicht minder.
Mann mit aufrechtem Gang
Kaum war Hugo Vogel aus dem fernen Russland heimgekehrt, zog es den Studienrat - ein Titel, auf den er besonders stolz war - schon wieder in seine geliebte Schule. Und so finden wir ihn dann in den Jahren 1953 bis 1970 an der Pestalozzi-Schule in Annaberg. Seine Tätigkeit als Lehrer begann er viel früher; bereits 1926 trat er in den Schuldienst ein und lehrte an der damals erneuerten und erweiterten Schule in Sehma. Viele ältere Erzgebirger erinnern sich aber auch noch an seinen Unterricht an der Annaberger Handelsschule in den 30er Jahren und schwärmen von seinem Geschick, mit Menschen feinfühlig und tolerant umzugehen. Etwas andere Erfahrungen haben allerdings einige seiner Schutzbefohlenen auch mit ihm gemacht: Zum Entsetzen der damals noch besonders weiblich erzogenen Mädchen, verlangte der Sportlehrer Vogel - sowohl an der Handelsschule und später an der gelben Schule auf dem Berg - auch von ihnen ein exaktes Radschlagen. Wer weiß, wie schwer es so manchen durchtrainierten Jungen heute noch fällt, diese unnatürliche Bewegung, jene Hochkantrolle des menschlichen Körpers einigermaßen gerade und ohne größere Prellungen zu überstehen, der erahnt in etwa die Gesichter der Mädchen von damals. Aber auch hier hatte der Hugo Erfolge vorzuzeigen und sogar Talente entdeckt: Eine fast 70-jährige ehemalige Schülerin teilte ihrem neunzig Jahre alten Lehrer brieflich mit, dass sie im vergangenen Jahr zum 29. Mal das Sportabzeichen in Gold abgelegt und die 1000 Meter im Schwimmen nicht in den für ihre Altersgruppe vorgesehenen 42 min, sondern bereits in 29 min zurückgelegt habe. Diese Zeilen las er mir noch kurz vor seinem Tod mit Stolz geschwellter Brust vor, so, als hätte er die Leistung erst gestern selbst vollbracht.
Erzgebirger statt Erzgebirgler
Über fast zwei Jahrzehnte werden seine umfangreichen Kenntnisse und wertvollen pädagogischen Fähigkeiten neben seinem Schuldienst an der Volkshochschule gebraucht. Es verwundert auch hierbei immer wieder, wie tolerant sich die damaligen Behörden der Stadt Annaberg einem Lehrer gegenüber verhalten haben, der wegen seiner „politischen Irrtümer im 3. Reich” (Briefe an den Autor) weit über acht Jahre gefangengehalten wurde. Vielleicht bot man ihm damals gerade auch aus diesem Grunde eine neue Chance - um das Wort Sühne zu umgehen - in einem solch öffentlichen Amt? Wenn für ihn die Lehrpläne auch oftmals „Leerpläne” waren und er sich manchmal vorkam „...wie die Gäule der Russen, die mit zusammengebundenen Vorderbeinen auf die Weide gelassen wurden, so konnte ich doch meinem Beruf als Berufung nachgehen, immer in der Absicht, jungen Menschen zu helfen, ihren Weg zu finden” - wie der fast Neunzigjährige in einem seiner zahlreichen, aufschlussreichen Briefe an mich schrieb. In den Jahren als man Hugo Vogel noch häufiger in der Stadt oder im Pöhlbergwald treffen konnte, riß er stets in weitem Bogen seinen Hut zum Gruß vom markigen Kopfe, um sich nach dem Befinden seines Schülers oder seiner Schülerin (meiner Frau Eveline) zu erkundigen und uns eines Tages sogar das “DU” anzubieten. Mitunter berührte uns die Begegnungen mit unseren Hugo etwas peinlich. Nicht zuletzt, weil uns diese „alte Schule” fremd vorkam und unsere Väter nur in den seltensten Fällen Hüte trugen, die sie zum Gruße lüften konnten.
Heute sollten wir womöglich eher unseren Hut ziehen oder uns wenigstens ein bisschen verneigen vor einem Lehrer, wie Hugo Vogel einer war. Einer von jenen Pädagogen, die sich ihren aufrechten Gang - bei ihm sogar im doppelten Sinne - bis zur letzten Lebensstunde bewahrt haben und ihn auf einen Großteil ihrer Schülerinnen und Schüler übertragen konnten. Vielen seinen ehemaligen „Zöglingen“ half dies über Zeiten zu kommen, wo Verbeugungen und Verrenkungen vor scheinbar Mächtigen zur Lebenshaltung größerer Massen gehörten und allem Anschein nach schon wieder gehören. Einer der ältesten Nachfahren des Annaberger Rechenmeisters Adam Ries - auch das war unser Hugo Vogel, wie sich herausstellte - ein Erzgebirger (auf die richtige Schreibweise ohne das „L” legt er dabei exemplarischen Wert) mit aufrichtigem Herzen und wachem Verstand war er. Wenn ihn auch so manche Lokalzeitung angesichts seiner kritischen Einwände gegenüber manch journalistischen Leistungen beargwöhnte, konnte man doch nicht auf interessante heimatgeschichtliche Artikel aus seiner Feder verzichten. Von besonderem Wert bleiben seine umfangreichen und sachkundigen Arbeiten zur Entwicklung der Posamentiererei im Erzgebirge und die daraus hervorgegangene Betriebs-Chronik des ehemaligen OPEW, - auf die noch heute so mancher Schreiber gern zurückgreift, allerdings meist, ohne die Quelle seiner „Weisheit” zu nennen.
Paul Fleming, der große Dichter aus dem Erzgebirge und der Schicksalssänger des Dreißigjährigen Krieges, dankte seinem Lehrer von damals mit Worten, die vielleicht auf jeden guten Lehrer zutreffen mögen, aber auf einen meiner möglicherweise etwas verklärt dargestellten Lieblingslehrer, der kurz nach seinem 90. Geburtstag in seinem geliebten Annaberg starb, treffen sie ohne Einschränkung zu:
„Jetzt, da die Einsicht versteht, was geschah, muß ich deiner gedenken. Für die erwiesene Treue sei dir gedankt durch den Vers. Wenn er auch wenig gefällt, weil es an Kunst darin mangelt - weil ihn dein Schüler dir bringt, nimm ihn, ich bitte dich, an.“
Meinem Lehrer Hugo Vogel vor 20 Jahren zum 90. Geburtstag in seiner Wohnung in der Alten Poststraße überreicht (Foto):
Alt bist Du geworden wie ein knorriger Baum, mit Jahresringen, längst nicht mehr zu zählen, mit Rinden, die sich immer wieder schälten, mit Wurzeln tief, ein Spaten sticht sie kaum.. Jung bist Du geblieben tief im Herzen drin, jung wie ein Baum an sommerfrischen Tagen, zu dem sich Deine Schüler freudig wagen wie ehemals, - vor vieler Jahre Anbeginn. In dieser Zeit, in der so vieles neu beginnt, und wo auch Deine Träume nochmals reifen, da wir Jungen Dich, den Alten, neu begreifen, weil wir in der Erinn´rung glücklich sind.
G.B.S.
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