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Sissy-Schmonzette mit viel Applaus bedacht

Das Singspiel „Sissy“ hatte nun auch auf dem Naturtheater Greifensteine seine vom Publikum amüsiert aufgenommene Premiere, bei der die Komödianten des Annaberger Theaters über den Kitsch siegten.

Es handelt sich hier um die „Sissy“-Operette von 1932, die von Ernst und Hubert Marischka als Singspiel geschrieben und von Fritz Kreisler immerhin in österreichische Walzer- und Schmachtmelodien gesetzt wurde. Seither hat sich der Publikumsgeschmack verändert - ob weiterentwickelt, bleibt dahin gestellt - so dass angenommen werden darf, dass manche gar zu rührselige Szene inzwischen als Parodie auf die Geschichte verstanden wird. Immerhin war einst der Theatererfolg so groß, dass Ernst Marischka nach den Traumatisierungen des II. Weltkrieges diesen Stoff als großen Kino-Traum-Dreiteiler zum Welt- und Dauererfolg mit Romy Schneider inszenierte. Und so ist die immer wieder als „Sissy“ falsch geschriebene Sisi oder Lisi, Kaiserin Elisabeth von Österreich und Königin von Ungarn, wirklich in der Herzensgeschichte ihres und anderer Völker angekommen. Diese Operette ist nun auch nicht zu verwechseln mit dem Musical „Elisabeth“ von Kunze/Levay, wo durch schärfere Figuren- und Intrigenzeichnung die Habsburger nicht nur in richtigeres Licht gesetzt wurden, sondern im Theater an der Wien in Österreichs Hauptstadt ein Harry Kupfer die Inszenierung (UA 1992) durch sein Musiktheaterkonzept einst geadelt hatte, wovon sich die Autorin dieser Zeilen überzeugen konnte.
Sissy_HP2-0779 (Andere)

Zum Glück hat der Theaterpraktiker Urs Alexander Schleiff den Stoff unter seine Regiefinger genommen. In Annaberg darf er seit  seinem „Wirtshaus im Spessart“, „Hello Dolly“ und der „Olsenbande“ fast schon als Komödienspezialist gelten.
Und er hat auch diesmal wieder seinem „Affen Zucker gegeben“! Die Hofgesellschaft durfte in der Premiere am Sonntag menscheln, Kinder spielten reizend und gestriegelte Tiere traten auf, Kutschen rollten, Kanonendonner wie Feuerwerk und tänzelnde Damen sah man in schön schwingenden Krinolinen auf den Felsen (Bühne: Tilo Staudte; Kostüme: Erika Lust).
Allen voran Therese Fauser in der Titelrolle mit ihrer angenehmen Mezzosopran-Stimme, schlank wie das Vorbild, aber zum Glück kein Romy-Double. Sie bewegte sich elegant und sang wohlklingend wie eine selbstbewusste junge Frau aus hohem Hause, die gegen die Verheiratungsrituale des erstarrten Kaiserhauses aufbegehrte und gewann. Ihr zur Seite Franz Josef (Christian Härtig) etwas nüchtern und deshalb auch nicht recht verständlich dieses Gastengagement, das durchaus auch - noch dazu preisgünstiger – aus den eigenen Reihen hätte bestückt werden können. Sissy_HP2-0400 (Andere)
Mit Madelaine Vogt als Schwester Helene hatte Sissy dagegen eine Ebenbürtige, die sich ihren Wunschprinzen von Thurn und Taxis (Frank Unger) erstritt und der, diesmal trotz strenger Perücke, wieder seine Wunder-Canzonen sang. Es war schon erstaunlich, was er aus diesen Noten so rausholte. Die weiteren Rollen ließen sich nicht nur in weibliche und männliche einteilen, sondern gleichzeitig auch in negative und sympathische. Die Frauen hatten alle ein Image von den Machos in die Partitur verpasst bekommen: Zuförderst die Kaisermutter Erzherzogin Sophie (Gisa Kümmerling) als scharfzüngig befehlende Chefin des Hauses Habsburg, dann Sissys Mutter Ludovika (Bettina Corthy-Hildebrandt), zwar liebvolle Mutter, dann aber doch die intrigante Kupplerin oder gar die schwarzhaarige Ballettänzerin Ilona Varady (Bettina Grothkopf), die nichts als tanzen wollte und sich gegen Unterstellungen zur Wehr setzte. Sehr schön gesungen und gespielt hat sie zusammen mit ihrem Gpsusi Oberst von Kempen (Jason-Nandor Tomory), seine Stimme klang diesmal besonders angenehm, weil seine Sprech- und Spielnummern eine Mischung aus Stottern (wegen eines ehemaligen Kanonendonners), Greischen und Fisteln erforderte. Er hatte nämlich die komödiantische Rolle eines Josef Meinrads aus dem Sissy-Film zu geben, die er ohne dessen Verliebtheit in die Kaiserin, aber um so übertriebener in die Absurdität führte. Ein wenig Aktivitäts-Bremse von Seiten der Regie wäre hier wohl hilfreich gewesen. Dagegen Sissys Vater, Herzog Max (Leander de Marel) gab im feschen Jagdkostüm den vom Hofleben geläuterten Normalmenschen in den schönsten Posen: Vom Bad in Possenhofen, als klangvoller Solist im Männerchor, als endlich energisch einschreitender Vater und vor allem als den Volkston treffender „Dialektiker“.Sissy_HP2-0940 (Andere)
Nach seinem Milchmann Tevje nun eine weitere Gestalt, die Charakterdarstellung zeigte, weil trotz Komik der Klamauk weitgehend außen vor blieb.
Komische Höhepunkte hatte das Dreigestirn der Subalternen: Zuerst der sich windende Zeremonienmeister Baron Hrdlicka (Michael Junge), der herrlich böhmakeln konnte und trotzdem verständlich blieb, der alte Radetzky (Olaf Kaden) sowie der Wirt, Dirigent und Kardinal (Matthias Stephan Hildebrandt) - immer richtig in der Pose!
Ergänzt wurde die Szene durch Vielfarbigkeit vom Chor (Uwe Hanke) und den skurrilen Kleindarstellern. Bemüht, aber eher verzichtbar die Ballett-Katzerln (Choeographie: Kirsten Hocke) und einige zu ausgewalzte Szenen bei den Schloss-Ischl-Treppen. Die musikalische Leitung des Nachmittags und der Tonaufnahmen lag in den bewährten Händen und der beständigen Aufmerksamkeit des 1. Kapellmeisters der Erzgebirgischen Philharmonie Aue, Dieter Klug, der sich auch über die gute Qualität der neuen Mikroports für die Darsteller gefreut haben dürfte. Die Anschaffungskosten von immerhin 10.000 Euro waren vom Theater-Förderverein bei der Premiere zur „Sommer-Traum-Nacht“ an den Intendanten Dr. Ingolf Huhn übergeben worden.
Das Publikum hat sich über diese wohl unvermeidliche „Sissy“-Schmonzette im Spielplan amüsiert und mit reichlich Applaus bedankt.

Eveline Figura

Weitere Vorstellungen:
17./24.8., 17 Uhr; 21./30.8., 3.9. 15 Uhr
und sicher in der nächsten Spielzeit.
www.winterstein-theater.de, Tel.:03733.1407-131.