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Annaberger Sperrgusch

Über viele Jahrzehnte ist am Haus neben der Löwen-Apotheke am Annaberger Marktplatz eine Maske angebracht, die seit ewigen Zeiten als „De Annebarger Sparrgusch“ (Die Annaberger Sperrgusch) bezeichnet wird. Seit Generationen rätselt man über deren Bedeutung. Und eben so lang erzählt man sich darüber eine frei erfundene Geschichte.
Die folgenden Überlegungen könnten vielleicht mit zu einer Lösung des Rätsels beitragen.

Rudolf Köselitz - Sperrgusch-Grafik

Anbringung der “Sperrgusch” an einem Haus in der Frohnauer Gasse.
Eine Zeichnung vom Annaberger Maler Rudolf Köselitz zu einer Geschichte von Emil Finck

(April, 2012) - Der Begriff „Sperrgusch” hat im Laufe der Jahrhunderte seine ursprüngliche positive Bedeutung für Neugierige und Wissensdurstige eingebüßt. Heutzutage ist es ein weniger schmeichelhaftes Synonym für tratschende und klatschende, Gerüchte verbreitende Personen. Früher nannte man hier oben im Erzgebirge meist alte Weibspersonen (z.B. de alte Melbertn=Frau Melbert von der Frohnauer Gasse), die sich in alle Angelegenheiten irgendwie einzumischen versuchten, „Sperrguschn“. Was heißt früher? Und was heißt alte? Noch immer werden Frauen jeglichen Alters als „Sperrguschn“ bezeichnet (und Männer nicht minder), die stundenlang ihren Nischl (Kopf) zum Fenster raus hängen, damit ihnen ja nichts auf der Straße entgehen mag. Man sagt auch, dass sie „Maulaffen feilhalten“. Oder sie stehen an der Straßenecke mährend/maahrnd (quatschend, redend) als „Maahrgusch“ so lange herum, bis jemand einen Stuhl hinstellt, damit sie das Getratsche im Sitzen fortsetzen können. Aber auch diejenigen, die bei jeder Feier – ob Kindtaufe, Hochzeit oder beim Leichenstein setzen (Beerdigung) – ungebeten auftauchen und „de Gusch“ (den Mund) aufsperren, erhalten diesen derben, aber letztlich nicht böse gemeinten Titel verpasst. Viel seltener werden Wissensdurstige, Neugierige, Suchende, um Erkenntnis ringende Leute als „Sperrguschn“ bezeichnet. Obwohl es auch hier oben im Gebirge nicht wenige davon gibt – Frauen und Männer.  

Unsere Sperrgusch ist ein Mann!

Im Übrigen ist es falsch, die „Annaberger Sperrgusch“ mit einer Frau in Zusammenhang zu bringen. Schließlich zeigt die Sperrguschen-Maske, wie sie im Original im Erzgebirgs-Museum zu sehen ist (Kopie am Markt) und einstmals am Haus Frohnauer Gasse, Ecke Sperrgasse, angebracht gewesen sein soll, einen mit offenem Mund staunend drein blickenden Manneskopf mit leicht orientalischen Zügen, der einen gewaltigen Schnurrbart im Gesicht trägt. Als Unterschrift trägt sie einer vergilbten Messingtafel einen barocken, geschlechtsneutralen Moral-Vers, der sicherlich später hinzugefügt wurde:

Habt Eure Zunge wohl in Acht,
daß sie nicht Schaden und Schande macht.
Ein lüstern Zung, die macht Euch arm.
Ein falsche Zung, - daß Gott erbarm!

Nun ist ja bekannt, dass es auch Männer gibt, die über oben genannte Eigenschaften verfügen, die eher Frauen zugeschrieben werden. Dann geschieht das aber meist mit dem positiven Unterton, dass es sich dabei um eine wissensdurstige „Sperrgusch“ handle. Die Interpretation vom ehemaligen Leiter des Annaberger Museums, Emil Finck, bezüglich unserer Annaberger Sperrgusch ist zumindest zu hinterfragen. Er veröffentlichte 1910 in der „Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Vereins für Geschichte von Annaberg und Umgebung“ in dem Kapitel „Die Annaberger Straßenbenennungen“
(S. 138) die Geschichte von der Sperrgasse, die ihre Bezeichnung „lediglich von der Fratze erhalten hat, die bis Mitte des 19. Jahrhunderts dort an einem Hause der Frohnauergasse (Nr. 6) angebracht war und von Fremden gern als ein scherzhaftes Wahrzeichen von Annaberg angesehen wurde“.

Es sind keine Unterlagen darüber bekannt, dass ein „Witzbold“ an einem Haus in dieser Gegend, in der die Leute zum Bahnhof gehen oder von dort kommen, eine derartige Maske, die bei Finck auch als „Sperrkusche“ bezeichnet wird, angebracht haben könnte, nur weil die Bewohner dieses Hauses die Reisenden neugierig gemustert haben sollen. Die Finck-Story wird von ihm selbst über die nächsten Jahre kolportiert und sowohl in seinem Erzählbändchen „Es war einmal“ (1920), im „Annaberger Wochenblatt 1926/27, S. 6, als auch im Annaberger-Adressbuch (1906) veröffentlicht.

Der Heimatforscher und Lehrer Fritz Deubner (1873-1960)  übernahm sie dann auch gleich zweimal und veröffentlichte die Geschichte erst im TAW (1940/14. Dez./Nr. 292) und dann 1941 noch einmal im „Glückauf“ Heft 6/S. 60. Von da an wird die „Geschichte vom spöttischen Wahrzeichen“ immer wieder in der von Finck fabulierten Version dargeboten und von Stadtführern den Fremden so erzählt. Auch Elke Schäf konnte mit ihren Bemerkungen zum Annaberger „Gaffkopf“ in den 80er Jahren in einem Erzgebirgischen Heimatblättchen nicht weiter zur Erhellung beitragen, weil auch sie der Annahme von Oberlehrer Finck unkritisch folgte. Der Annaberger Lehrer und Heimatforscher Hermann Lange (1884-1965), der sich intensiv mit Hauszeichen und Architekturmerkmalen in der Annaberger Altstadt beschäftigt hat, vertritt dazu in seinen „Irrungen“ (1958) erstmals eine andere Meinung: „Die Fincksche Dichtung entbehrt jeder historischen Grundlage. Er ist nur durch das Vorhandensein der Schnitzerei angeregt worden. Bereits 1898 erzählte er die ´Sage´ seinen Schülern... Die ursprüngliche Kurzgeschichte von den feindlichen Nachbarn wurde dabei stark in die Länge gezogen und in die Geschichte ´Ein spöttisches Wahrzeichen´ eingearbeitet. Das dazu gelieferte Bild von R. Köselitz versetzte die mitgeteilte Angelegenheit in die Uthmannsche Zeit!“

Maske der Spätrenaissance?

Hermann Lange meint zwar, dass die Maske nicht so alt sein dürfte und verweist auf den Stadtbrand von 1604. Was aber, wenn unser Annaberger Maler Rudolf Köselitz mit seinen malerischen Intentionen doch recht haben sollte und die hölzerne Fratze nicht nur diesen Brand überlebt hat? Es wäre nicht der einzige Gegenstand aus jener Zeit, wie man dies im Erzgebirgsmuseum studieren kann.
DSCI0025Somit könnte es sich bei der „Annaberger Sperrgusch“ vermutlich doch um etwas ganz anderes handelt, als man dieser Maske bisher versucht hat anzudichten: Annaberg ist eine Stadt der Spätrenaissance. Es gab zu jener Zeit weder Gasbeleuchtung noch elektrisches Licht auf den ungepflasterten Straßen, die meist schlammige Wege waren, durch die sich die Pferdekutschen bei Regen- und Schneewetter quälten. Die Beleuchtung bestand aus offenem Feuer, Kerzen, Fackeln oder Kienspänen. Spezielle die Kienspäne waren eine beliebte Haus- und Wohnungsbeleuchtung. Und wenn man mal beide Hände zum Arbeiten brauchte, dann klemmte man sich diese dünnen Holzstücke einfach zwischen die Zähne. Da man aber nicht dauernd mit einem Kienspan im Mund herumlaufen konnte, was auch irgendwie komisch ausgesehen haben dürfte, stellte man zunächst kleine Tonklötzchen in Form eine Kopfes – oft auch eines Affenkopfes - her, der im Maul den Span hielt. So war der Maulaffe geboren. Später wurden solche Figuren aus Eisen und einige auch aus Holz hergestellt sowie auch an den Hauswänden angebracht, wo sie größere Kienspäne oder auch Fackeln in ihrem Maul hielten und damit die Straße beleuchtet haben.

Verwandtschaft zwischen Maulaff und Sperrgusch!?Maske 2 (Andere)

Solche Spanhalter sind in Süddeutschland, Österreich und besonders in Norditalien seit dem 13. Jahrhundert bekannt. Insbesondere in Italien sind an zahlreichen Domen, Palazzi und Bürgerhäusern derartige Gesichter - meist in Stein gehauen oder in Hartholz geschnitzt - zu bewundern. Von daher bekommt der Begriff „Maulaffen feilhalten“ dann auch seinen seriösen Sinn: Es handelt sich zumindest an den italienischen Handelshäusern um Verkäufer eben dieser Köpfe mit offenen Mündern, wie unsere „Sperrgusch“ einer sein könnte, die dort auch als “Neid-Köpfe” (le teste torcia) bezeichnet werden und meist als Karikatur eines zur Grimasse verzerrten jüdischen Männergesichtes existieren (Peter Gast aus Annaberg, der Adlatus des Philosophen Nietzsche, hat während seines fast zehnjährigen Venedig-Aufenthaltes ebenfalls derartige Parallelen vermutet). Die Masken an den anderen Gebäuden verweisen auf Funktionen, die in unser Sperrguschn-Thema kaum hineinreichen.
Ob der Annaberger Sperrguschn-Kopf nun ebenfalls zum Zweck der Spanhaltung und Beleuchtung gedient hat oder eine zweckentfremdete Nachbildung der Renaissance-Neidköpfe (Foto: Venedig, 2016) darstellt, das herauszufinden ist Sache der auf diesem Gebiet studierten „Sperrguschen“. Schließlich gibt es auch Auffassungen, die meinen, dass es sich um den Teil einer Brunnenfigur handelt, aus deren aufgesperrtem Mund das Wasser versiegt ist und deren es in der Stadt noch ein paar gibt (z.B. im Barbara-Uthmann Haus am Markt, an der Gabelung der Theatertreppe). Aber es könnte auch ein figürliches Ornament sein, wie es zu gotischen Zeiten und in der Renaissance an Schlossbauten, Herrenhäusern oder auch Kirchenfassaden  und Innenräumen (z.B. Freiberger Dom, Annenkirche) auch im sächsischen Raum Verwendung fand und wie sie selbst noch im Barock nachgebildet wurden, meinen andere. Wie auch immer: Zwischen unserer „Sperrgusch“, den „Maulaffen“ und den “Neid-Köpfen” scheint aber dann doch wohl eine kaum zu leugnende Verwandtschaft zu bestehen.Somit hätte das „Maulaffen feil halten“, das mit offenem Mund untätige Herumstehen, durchaus etwas mit unserer „Sperrgusch“ zu tun, wenn auch zunächst nur im unfreundlichen Sinne. Die anderen „Sperrguschen“ - aufgeschlossene Menschen, Wissenshungrige, Staunende, Neugierige im besten Sinne des Wortes - sind in Annaberg-Buchholz ebenfalls in hellen Scharen anzutreffen. Immer mehr Touristen bevölkern – hoffentlich nicht nur zur Weihnachtszeit – diese alte Bergstadt und streifen durch ihre steilen und winkeligen Straßen und Gassen.
Auch die Einheimischen interessieren sich verstärkt für die Historie ihres Zuhause und für die Straße, in der sie leben oder arbeiten. Damit wird „De Annebarger Sparrgusch“, ob nun in Mundart oder in Hochdeutsch, immer mehr zu einem Symbol für „Echt Erzgebirge“, - aber das ist schon wieder eine andere Geschichte...

Übrigens: Auch die „Sperrguschen-Geschichte vom spöttischen Wahrzeichen“, wie sie Altmeister Finck fabuliert hat, gilt es aufzubewahren. Auch dann, wenn sie historisch so nicht nachzuweisen sein sollte, bleibt sie doch ebenfalls ein phantasievolles Kulturgut aus der geistigen Welt unserer Altvorderen.

Gotthard B. Schicker


Der Heimatforscher Bernd Lahl (Annaberg/Chemnitz) hat dazu aus seiner Sicht und auf der Grundlage seiner Recherchen am 4.1.2012 folgenden Beitrag zur Verfügung gestellt:


Die „Annaberger Sperrgusch“ – Ergebnisse einer Spurensuche

Leider ist die wahre Begebenheit die der „Annaberger Sperrgusch“ zugrunde liegt, immer mehr ins Reich der Sage abgetriftet. Im „Jahrbuch für das Erzgebirge 2011“ hat der Sagenforscher Dr. Dietmar Werner in seinem Beitrag „Auf den Spuren von Volkssagen im Erzgebirge“ (S. 54/55) das geschnitzte und bemalte Konterfei der „Sperrgusch“ genutzt, um seinen Beitrag damit zu schmücken. Den Grundstein für die Sagenbildung hatte schon 1920 ein anderer gelegt, der es eigentlich hätte wissen müssen, denn er galt als der Vater des Annaberger Altertums- und Erzgebirgsmuseums: Emil Finck. In seinem Buch „Es war einmal …“, in dem er über erzgebirgische Sagen und Geschichten erzählt, befindet sich die Erzählung „Ein spöttisches Wahrzeichen“ (S. 89 – 98). Sie befasst sich mit der Entstehung der „Sperrgusch“, obwohl er offensichtlich nicht wusste, um wen es sich handelte. Einem mit Sorgen und Schulden belasteten sowie dem Trunk erlegenen verheirateten Schmied, stellte er einen gegenüber wohnenden, ehrlichen, hilfsbereiten und bescheiden glücklichen Bergmann mit Familie gegenüber. Dieser in der Frohnauer Gasse wohnende Bergmann, bekam von dem Schmied als Versöhnungsgeschenk (weil dieser ihn verleumdet hatte) ein von ihm „in mancher müßigen Stunde“ angefertigtes Schnitzwerk geschenkt, die „Sperrgusch“. „In unverhohlener Freude gab der Bergmann seine Einwilligung dazu, daß das Gebilde als Zierwerk am vorderen Giebelfelde seines Hauses angebracht ward. Da sollte es für jedermann ersichtlich sein und manch einem, so er’s beachtete, zu Nutz und Frommen gereichen können.“

Nun zu dem durch archivalische Quellen gesicherten Hergang der Entstehung der „Annaberger Sperrgusch“: Zwei Zufälle waren es, die diese Begebenheit entstehen ließen. Zum Einen kaufte laut Häuserlehnbuch Nr. 28 von Annaberg (S. 371) der Meister Reinhard Jonathan Schölle (öfter und richtig Schell geschrieben), Bürger und Tischler in Annaberg, am 20. Januar 1739 für 300 Taler das von Johann Gottlob Gensel bisher besessene und nach dem Brande 1731 wiederum aufgebaute Haus in der Frohnauer Gasse. Es handelt sich um das Haus Frohnauer Gasse 6 (Brandkataster-Nr.: alt 397, neu 685A). Schell hat es als Junggeselle gekauft. Er blieb wohl auch bis zu seinem Tod am 18. Mai 1773, da er im Alter von 62 ¾ Jahren verstarb, Junggeselle. Zum Anderen wohnten ihm gegenüber in der Frohnauer Gasse 3 (Brandkataster alt 389 u. 700, neu 712 u. 713) die Familien von Johann August Grabscheid Senior  und Junior, die beide bei der allgemein verhassten Generalkonsumtions-Accise als Visitatoren angestellt waren und vorher ihre Profession als Posamentierer bzw. Schuhmacher ausübten.
Das waren schon starke Gegensätze zwischen den beiden Parteien Grabscheid Senior und Schell, der 17 Jahre jünger war. Auf der einen Seite also der sich in den besten Jahren befindende Schell, der als Junggeselle sich hin und wieder Frauenzimmer einladen konnte und auf der anderen Seite der gealterte Grabscheid Senior, der dies nicht konnte. Dr. Moritz Spieß hat um 1860 in Annaberg über „die Sperrgusche“ Nachforschungen betrieben. Er teilt uns mit, dass von einem Junggesellen oder Witwer(?) in der Mitte des 18. Jahrhunderts ein Fratzengesicht mit heraushängender Zunge aus Holz geschnitzt und bunt bemalt „eines Nachts auf der Außenwand (seines Hauses) zwischen den Fenstern der Erkerstube angebracht worden ist.“ Es wäre angebracht worden, weil in dessen „liberalistischen“ Leben Frauenzimmer in seiner Erkerstube durch das Herüberblicken der Bewohner des gegenüberliegenden Hauses sich gestört fühlten. „Deshalb verklagt, die Weiber könnten sich daran versehen, entschuldigte er sich damit, daß auch in der hiesigen Kirche Bilder von abschreckendem Ansehen wären. So blieb die Fratze“, führte Spieß weiter aus. Nach dem Tod von Schell kaufte es der Tagelöhner Johann Christian Wohlgemuth. Am 28. Januar 1790 musste er es „Schulden halber“ an den Mauerer und Bierbrauer Johann Christian Schiefer verkaufen. „Dieser restaurierte es und nahm dabei die Sperrgusche herunter. Schiefer wollte sich aber nebenbei einen Branntweinschank anlegen und beschloß, das Gesicht als Aushängeschild zu benutzen. Es wurde daher neu gemalt und kurz vorher, ehe das Gerüste von dem abgeputzten Hause weggenommen wurde, an der alten Stelle wieder befestigt. Die originelle Firma zog viele Gäste heran und wurde in der ganzen Gegend berühmt. So blieb es bis zum Tod des alten Schiefer 1830“(Spieß). 1831 übernahm dessen Sohn, der Maurermeister Christian Traugott Schiefer das Haus. Er „gab wenig Jahre nachher den Branntweinschank auf, nahm die fatale Firma herab und sie schloß ihr weitberufenes Dasein im Ofen, lebte aber noch fort im Andenken des Volkes.“ (Spieß). Dass die „Sperrgusch“ im Ofen verbrannt worden ist, dürfte, wie einiges andere auch, Spieß höchstwahrscheinlich falsch berichtet worden sein. Schreibt doch Emil Finck am Ende seiner Sage (S.98): „Die Stadt Annaberg aber bezeichnet sogar nach ihm ein Gäßlein, daß neben dem Bildhause abbiegt als Sperrgasse, obgleich der Bildrest (also ohne dem von ihm angeführten, wohl aber nicht vorhanden gewesenen Spruch, S. 98) längst schon ins „Museum“ abgegeben worden ist.“ Auf den Stadtplänen von 1843 und 1866 ist ein Name der Gasse noch nicht verzeichnet, danach erscheint er aber.

Aus volkskundlicher Sicht ist die Annaberger Sperrgusche, das zeigt der Hergang seiner Entstehung, den sogenannten „Neidköpfen“ zuzuordnen. Sie kamen im deutschsprachigen Raum noch im Mittelalter auf. Zu ihren bekanntesten Exemplaren zählen der Berliner Neidkopf und der Baseler. In Basel streckte er bei jedem Glockenschlag der Turmuhr des Brückenturms die Zunge gegen die Klein-Baseler heraus. Diese wiederum reagierten mit der Aufstellung eines Dukatenmännchens. (Meyers Großes Konservations-Lexikon, 6. Aufl., 14. Bd., S. 500/501, Wien/Berlin 1909.) Letzteres sollte vielleicht auf die Zahlung einer nicht unerheblichen Summe für den Erwerb von Klein-Basel 1392 erinnern.

Bernd Lahl