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AUS für die Randfichten?
Pressemitteilung auf der HP der Gruppe:
Rups verlässt die Randfichten
Liebe Freunde der Randfichten! Nach langer Bedenkzeit über das Für und Wider hat sich Rups entschlossen, zum Jahresende die Randfichten aus gesundheitlichen und persönlichen Gründen zu verlassen. Er will sich weiterhin seinem Soloprojekt widmen. Die Entscheidung ist ihm nicht leicht gefallen, zumal für ihn damit eine lange und erfolgreiche Karriere bei den Randfichten zu Ende geht. Auftritte mit Rups wird es noch bis Ende des Jahres geben. Gleichzeitig wollen wir an dieser Stelle aber auch mitteilen, dass es die Randfichten weiterhin geben wird. An einem neuen Konzept wird fleißig gearbeitet. Ihr dürft also gespannt sein. De Randfichten
Im Jahre 2005 ist im damaligen „Erzgebirgs-Treff“, dem Blog-Vorläufer des ANNABERGER WOCHENBLATTES, zu den Randfichten nachfolgender Text geschrieben worden, den wir aus aktuellem Anlass (siehe Pressemitteilung oben) hier noch einmal veröffentlichen:
Lab´n denn de alten Randfichtn (wirklich) noch...? Oder: Erzgebirgische Volkstümelei auf mittlerem Niveau und ihr absehbares Ende
Wenn da jemand behauptet, dass der Erzgebirgswald stirbt, so sitzt ein solcher Missmacher einem gewaltigen Irrtum auf. Mag ja sein, dass die gelbe Tschechenluft in den vergangenen Jahren etwas dazu beigetragen hat, um einen Großteil des so genannten Kernwaldes zu entnadeln, worunter am meisten die Tannen und Fichten im Zentrum der Wälder litten. Die Bäume am Rand scheinen davon kaum etwas abbekommen zu haben. Die Randfichten sind irgendwie widerstandsfähiger, zäher, biegsamer - so wird jedenfalls behauptet, obwohl auch schon morsche, kranke und absterbende Fichten da und dort gesichtet wurden.  Es lag also auf der Hand, dass sich die Herren aus Johanngeorgenstadt Thomas "Rups" Unger (Gesang, Akkordeon), Michael "Michl" Rostig (Akkordeon, Keyboards, Gesang) sowie Thomas "Lauti" Lauterbach (Gitarre, Keyboards, Gesang), der erst seit 1997 dem Trio aus dem Erzgebirge angehört, 1992 zunächst den Namen „Original Arzgebirgische Randfichten“ zulegten.
Tingelten die drei Musikanten zunächst im Familien- und Bekanntenkreis, so zeichnete sich seit etwa 1999 eine steile Karriere ab, die vor allen möglichen Auftritten gängiger Veranstaltungen in Dörfern, Klein- und Großstädten und diversen TV- und Radiosendungen und nicht einmal vor dem schunkelwütigen und schenkelklopfenden Ausland Halt machte. Kein Wunder also, dass die muntere Truppe mit Auszeichnungen, Ehrungen und Preisen überschüttet wird und eine Fan-Gemeinde hinter sich her zieht, über die jede Fußball-Nationalmannschaft – weltweit – neidisch wäre. 
Den drei singenden Jungs aus dem Erzgebirge ist der Erfolg nicht mehr streitig zu machen. Der Preis dafür ist allerdings hoch, mitunter zu hoch. Schließlich wagt man sich doch in einen Bereich vor, der Jahrhunderte nahezu ohne Kompromisse auskam. Das Volkslied war eben das Lied aus dem Volke, das mit einfachen Mitteln interpretiert wurde. Auch die „Randfichten“ singen und spielen alte erzgebirgische Volkslieder, wie z.B. das „Feierabendlied“ von Anton Günther, die „Nationalhymne der Erzgebirger“, also ein Sakrileg. Er hat es zur Gitarre komponiert und mit leiser Stimme selbst vorgetragen. Die Zeiten haben sich gewandelt. In der Interpretation dieses Liedes durch die „Randfichten“ geht es offenbar ohne elektronisch verstärkte Instrumente gar nicht mehr über die Bühne. Das Kaybord und die Elektrogitarre machen aus diesem schlichten Lied eine Schnulze mit gewissen leisen Ahnungen auf das Original. Inwieweit die ansonsten so wachsamen Erben des Liedermachers aus dem böhmischen Erzgebirge hierbei zugestimmt haben, entzieht sich der Kenntnis. Mit dieser idyllisch-elektronischen Interpretation leistet man jedenfalls dem erzgebirgischen Volkslied, seiner Weiterverbreitung sowie seinem Komponisten aus Gottesgab einen Bärendienst. Schlichtweg handelt es sich hier um einen verantwortungslosen Umgang mit dem erzgebirgischen Liedgut zu Zwecken der Vermarktung.
Volks- oder untümlich
Nun behaupten die „Randfichten“, dass das, was sie da von sich geben, keine Volksmusik, sonder „volkstümliche“ Musik sei. Also, keine Kunst, sondern eine Art Kunsthonig? Vor längerer Zeit wurde ein Artikel über diese und andere Tümeleien (1995) in unserem Erzgebirge dazu veröffentlicht, so dass auf einen ausführlichen Nachweis der damit einhergehenden Vernichtung der wirklichen, echten, originalen Volksmusik und ihrer gültigen Interpretation verzichtet werden kann. Natürlich weiß man, dass es zu allen Zeiten Versuche von Tümeleien und Adaptionen gegeben hat. Man könnte sich nun damit beruhigen, dass kaum eine dieser Interpretationsformen das Original jemals erreicht oder gar überflügelt hat, und dass alle diese Versuche früher oder später der Vergessenheit anheim fielen.  Es gibt aber auch leider solche Erscheinungen, wobei über lange Zeit das volksmusikalische Original hinter dem volkstümlichen Aufguss versteckt existiert und es nach Jahren einige Mühen bedeutet, das Original wieder zu entdecken und als die musikalische Wahrhaftigkeit freizulegen und zu „verkaufen“. Das Pseudowerk vermarktet sich da viel besser. Selbstverständlich wirken da neue, andere – auch versaute – Hörgewohnheiten mit. Und den verführerischen technischen Möglichkeiten sowie der nur damit gegebenen Erreichbarkeit von Zuhörer-Massen kann man kaum widerstehen. Es sei denn, man entscheidet sich für die Verbreitung des Volksliedes in seiner ursprünglichen Form, ohne jegliche Tümelei. Solche Interpreten hatten es zu allen Zeiten schwerer und sie gehörten auch fast immer zu den finanziell Benachteiligten (wenn man mal von einem Hubert von Goisern aus den Schweizer Bergen – als Synonym für die Alternative – absieht). Zu diesen zählen unsere „Randfichten“ nun seit langem nicht mehr, ganz im Gegenteil. Ihre Terminkalender sind randvoll – und nicht nur zur Weihnachtszeit. Damit liegt also die marktwirtschaftliche Argumentation ganz auf der Seite der Truppe: Die Nachfrage wird über das Angebot realisiert. Und die Nachfrage nach den volkstümlichen Liedern der „Randfichten“ ist enorm. Ihre Auftritte füllen die größten Säle des Landes mit altersmäßig sehr gemischtem Publikum, meist aus den unteren sozialen Schichten. Wobei durchaus auch Liebhaber der Truppe im mittelständigen Bereich, weniger unter den Intellektuellen zu finden sind. Unter letztgenannter Gruppe sind insbesondere ihre originellen Texte beliebt, seltener solche Verse wie die vom „Holzmichl“ oder von den „Holzhackerleit“, obwohl auch dabei schon so mancher Betriebsdirektor oder Bürgermeister beim gemeinsamen Schenkelklopfen mit der ausgelassenen Belegschaft oder den beschlipsten Beamten beobachtet wurde.
Der CD-Umsatz der „Randfichten“ ist – gemessen an vergleichbaren Volkstümlichen - gewaltig, und die begehrten Fan-Artikel steigern noch zusätzlich das Einkommen der fleißigen Mannen aus dem Erzgebirge. So ein materieller Hintergrund macht sicher, mutig und auch verwegen. Er war offensichtlich auch die Basis, um gegen eine „Tötung“ ihres nun wirklich nicht selbst erfundenen „Holzmichels“ durch ein Chemnitzer Stadtmagazin gerichtlich vorzugehen. Die „Randfichten“ gingen aus dem Prozess als peinlich-angeschlagene Sieger hervor.
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Bayern lässt grüßen
Die Musik der „Randfichten“ trägt starken Adaptionscharakter. Wer sich einigermaßen in der bayerischen volkstümlichen (oder hier auch Volksmusik) auskennt, wird unschwer die Anklänge an dortige Melodieführungen überhören können. In nur wenigen Fällen kann der Gruppe wirklich eigenständige Melodienfindung sowie deren interessante kompositorische Verarbeitung bescheinigt werden. Der nahezu inflationär verwendete abgehackte und stampfende Marschrhythmus assoziiert zudem noch die Nähe zu bayerischen Schenkelklopfern. Diese Kombination von bayerischer (international als „deutscher“ verstandene) Melodieannäherungen einerseits und eben solcher Rhythmen anderseits, machen zumindest zu einem Teil den Erfolg der „Randfichten“ auch in westlichen – insbesondere bayerisch-schwäbischen – Gefilden Deutschlands erklärbar. Die „Randfichten“ sind dann musikalisch, textlich und auch rhythmisch niveauvoll, wenn sie wirklich Eigenständiges einbringen. Wenn dann noch ein origineller, heiterer, witziger Text in Mundart vorgetragen über die Rampe kommt oder aus der Konserve klingt, kann die Truppe sogar mit dem Applaus eines Teils ihrer sonstigen Kritiker rechnen.
Popularität heißt auch Verantwortung
Es wäre gut, wenn die „Randfichten“ ihre momentane Popularität – über das schnelle Euro-Geschäft hinweg - auch dazu benutzen würden, um sich auf ihre Verantwortung zu besinnen, die sie gegenüber dem originalen erzgebirgischen Volkslied haben. Wer so in der Öffentlichkeit steht wie sie derzeit, der sollte die Chance nutzen, durch wahrhaftige Interpretation zur Wiederbelebung und Verbreitung der echten erzgebirgischen Volksmusik – insbesondere unter der jungen Generation – beizutragen. Unbestritten werden einige wenige Kompositionen der Truppe die Zeiten überdauern und vielleicht mit ins langlebige Repertoire des erzgebirgischen Liedgutes aufgenommen werden. Letztendlich wird sich allerdings auch hier nur Qualität langfristig durchsetzen. Sollten die Musikanten aber bei ihrem jetzigen Stil bleiben und den noch zugunsten der deutschen (Holz)Michel und der sozial benachteiligten Schenkelklopfer weiter ausbauen, kann man der Truppe zukünftig nur noch eine verantwortungslose Volkstümelei auf unterem Niveau bescheinigen, die sich zudem noch in einem blind und taubmachenden Popularitätsrausch befindet und ihren Abstieg einleiten wird. Die intelligenten drei Musikanten sollten sich schon jetzt darauf einstellen, denn auch dieser Rausch wird - nach dem bekannten Brechreiz gegenüber den Kritikern - letztlich wieder zu einer gewissen Nüchternheit auf beiden Seiten der Arenen führen. Und es wird sicherlich die Zeit kommen, wo man dann vielleicht auf eine schon über 100 Jahre lang bekannte Melodie die Frage singt: Lab´n denn de alten Randfichtn (wirklich) noch? –
G.B.S., 2005
Artikel über weitere Volks-Tümelei im Erzgebirge - hier
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