Die „Mariza“ ist wieder da !
Imre Kálmáns Operette ist ohne inszenatorische Sensation , aber mit seinerimmer wieder wunderbaren ungarischen Musik zurück auf der Annaberger Theaterbühne. Das Ensemble hat reichlich für das unverzichtbare Lokalkolorit gesorgt.
Der Regisseur Dr. Ingolf Huhn hat die bekannte Operette so inszeniert, wie sie daher kam. Experimente sind nicht seine Sache und so verbleibt „Gräfin Mariza“ in ihrer Welt in den zwanziger Jahren, gefühlt weit vor dem 1. Weltkrieg. Da waren die Herrschaftsverhältnisse noch klassisch despotisch, und so tritt die reiche Gräfin (Bettina Grothkopf) ihrem Verwalter, dem verarmten Tassilo von und zu (Frank Unger) auch entgegen. Der ist wegen Pleite seines Vaters in ein richtiges Arbeitsverhältnis getreten (was geheim zu bleiben hat), um seiner kleinen Schwester (Madelaine Vogt) Mitgift und standesgemäße Heirat zu sichern. Die stolzen Hauptfiguren geben bis fast zum glückliche Ende ihrer Liebe nicht nach. Bettina Grothkopf und Frank Unger vermochten durch stimmliche Ausdruck und glanzvoller werdend, in den Duetten die sich entwickelnden Gefühle auszudrücken.
|
Die ulkigen Landadligen Koloman Zsupán (Leander de Marel) und der Fürst Moritz (László Varga) sorgten für reichlich witziges Durcheinander. Der auf der ersten Silbe betonte ungarische Akzentus wurde stark strapaziert, wobei Leander de Marel dabei und auch stimmlich nicht hinter dem Originalungarn Varga in der Gunst um die Gräfin zurück gesteckt hat. De Marel gab sein altersaktives Interesse der jungen, kurzsichtigen Schwester Tassilos weiter und schlug dafür noch ein überraschendes Rad. Die Hauptdarsteller sangen schön und gefühlvoll, wobei der Tenor die Phase seines Einsingens wieder ein wenig in den ersten Akt verlegt hatte, um später umso schöner in die gar nicht so leicht Steigungen zu kommen. Dabei zeigte sich mal wieder, dass die klassische Operette ein hohes Maß an Gesangskultur abfordert und der Grad zwischen Leichtigkeit, Verspieltheit und dramatischem Ausdruck sogar ganze große Namen schon in Bedrängnis gebracht hatte und bringt. Unser Ensemble war insgesamt wieder bereit und Willens, wobei den kleinen Rollen von der Regie diesmal angenehmes Selbstbehauptungspotential gestattet wurde. Zuförderst die Kammerdienerrolle von Michael Junge, der zurückhaltend präsent und mit dekorativen Falten geschminkt, seinen Auftritten Profil und berührende Momente schenkte. Dann die Fürstin Soundso, Tassilos Tante (Bettina Corthy-Hildebrandt), die mit überzogener Würde den Neffen wieder zahlungs- und heiratsfähig macht und schließlich ihr schauspielender Kammerdiener (Matthias Stephan Hildebrandt), der amüsant Klassikerzitate als Autoritätsbeweise verballhornte.
|
Jason-Nandor Tomory in einer Handlungs relevanten kurzen Sprechrolle des Baron Liebenberg, überzeugend schnörkellos. Die Erstvorstellung der Mezzosopranistin Anna Bineta Diouf als weihsagende Zigeunerin zeigte sowohl Möglichkeiten ihres sonoren Organs als auch noch viel rauhe, durch Gesangstechnik zu bändigend Höhe. Die bespielbare Bühne lag in den Händen Thilo Staudtes: Sein Schloss mit historisch anmutender Seitenbühne, kleiner Treppe und Pusztablick, Ballsaalausschnitt mit Schwenk ins Vergnügungsetablissement über die Drehbühne, brachten Bewegungsfreiheit, die vom schön singenden Chor (Chöre: Uwe Hanke) leider nicht in freiere Bewegung umgesetzt werden konnte. Gar zu statuiert war die Damen und Herren in den Hintergrund drapiert, - mit Ausnahme eines charmanten Damen-Tennis-Bildes und des frisch singenden und spielenden Kinderchores.
Die Kostüme von Erika Lust hingegen überzeugten vom Material bis Schnitt nur teilweise wie die schlichten Staffagen des Verwalters, -denn wer Töne hat, braucht keinen Schnickschnack. Die hübsche Frisur und Ausstrahlung der Mariza wurde im billigen Fähnchen des roten Abendkleides und dem übertriebenem Schmuck eher der Geschmackloskigkeit als ihrem Reichtum zugeordnet. Die komischen Landadligen waren so albern in Hofkleidung gehüllt, dass ihre Komik kaum Raum bekam und László Vargas Bartschmuck eher entstellte als charakterisierte. Auch das Extraballett war zu billig angetrachtelt und die Tanzschritte (Choreographie: Sigrun Kressmann) hätten manch Ungarn stark verwundert. Was alles zusammenhielt und für das wahre Flair sorgte, war einmal mehr die Erzgebirgs Philharmonie Aue unter der fachkundigen Leitung des 1. Kapellmeisters Dieter Klug. Sehr differenziert und mit viel Spielfreude wurden die bekannten und stark frasierten Passagen gemeistert. Besonderes Flair erzeugte der talentierte junge Geiger Jacob Meining als Primas auf der Bühne, ohne den die Wirkung des Tenor-Titels „Komm, Cigány, spiel mir was vor“ lange nicht so gelungen wäre. Der Abend war ein Dauerbrenner des Bühnenrepertoires, der dem Publikum wieder einmal sehr gefiel. Die „Gräfin Mariza“ muss zudem vergessen lassen, dass bis Januar keine Oper auf dem Spielplan zu hören sein wird.
Eveline Figura
^ |