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Nussknacker

Aus der Kulturgeschichte des alten Hebelmannes

„Er trug ein sehr schönes, violett glänzendes Husarenjäckchen mit vielen weißen Schnüren und Knöpfchen, ebensolche Beinkleider und die schönsten Stiefelchen, die jemals an die Füße eines Offiziers gekommen waren.“ So beschreibt der 1776 in Königsberg geborene und 1822 in Berlin gestorbene E.T.A. Hoffmann im Jahr 1816 den Husaren-Nussknacker in seinem Weihnachtsmärchen „Nussknacker und Mausekönig“.

Das Ballett „Der Nussknacker“ vom russischen Komponisten Pjotr Tschaikowski hatte zu Weihnachten 1892 in Sankt Petersburg Premiere. Die literarische Vorlage dazu stammt von eben jenem Ernst Theodor Amadeus Hoffmann.

Auch der andere Hoffmann, der Struwwelpeter-Autors Heinrich Hoffmann, bringt im Jahre 1851 seine Kindergeschichte „König Nussknacker und der arme Reinhold“ heraus. Es sind Figuren aus dem Erzgebirge, die Hoffmann als Zeichnungen in seinem Buch auftreten lässt. Gesehen hatte er sie einst in einer Erzgebirgs-Bude auf dem Weihnachtsmarkt in Nürnberg, wo er sich auch einen Nussknacker gekauft hat. Den Nussknacker-König lässt Hoffmann mit den Worten vorstellen:

König Nussknacker, so heiß' ich,
harte Nüsse, die zerbeiß' ich.
Süße Kerne schluck' ich fleißig,
doch die Schalen, ei, die schmeiß' ich
lieber andern hin,
weil ich König bin.

Aristoteles besaß  schon einen Nussknacker

Doch bevor der zähnefletschende Geselle im Erzgebirge Fuß fasste, hatte dieser Hebelmann schon eine lange Geschichte auf seinem Buckel. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass es bereits in der Antike derartige Typen gegeben haben soll. Aristoteles soll einer der ersten Nussknacker-Besitzer gewesen sein. Als Grabbeigabe fand man um 300 v. d. Zeitrechnung eine derartige Figur, die solche Werkzeug wie Zähne oder Hammer zum Nüsseknacken beim niederen Volk aus Holz, durch ein Bronzemodell für die Wohlhabenden ersetzte.

Auch das Genie Leonardo da Vinci hat später an einem Werkzeug zum Knacken der Nüsse gebastelt. In wieweit ihm das gelang, ist nicht überliefert. Bekannt ist aber, dass er eine Drehbank entwickelte, auf der er auch Figuren aus Holz gedrechselt haben soll. In der Renaissance gab es nachweislich bereits Nussknacker. Vom englischen König Heinrich VIII. weiß man, dass er seiner zweiten Ehefrau Anne Boleyn einen kunstvoll geschnitzten und farbig bemalten Nussknacker schenkte. Ob diese Figuren immer zu diesem Zweck genutzt wurden darf dann bezweifelt werden, wenn man bei Jacob Grimm (1785-1863) ließt, dass Nussknacker auch als Götzenfiguren oder Hausgeister Verwendung fanden.

Von Südtirol über Bayern ins Erzgebirge

Nachdem im 18. Jahrhundert in der Gegend um Oberammergau geschnitzt Knacker hergestellt werden, und auch in Südtirol sowie in Bayern solche Kerle (niemals Frauen!) als lustige, grimmig drein blickende oder orientalische Figuren auftauchen, sind ab etwa 1810 auch in den Erzgebirgsorten Seiffen, Olbernhau, Frohnau, Annaberg, Schneeberg und Neuhausen die ersten Nussknacker nachzuweisen. Aus der Not heraus, nach der Einstellung des Bergbaus, suchte man nach neuen Verdienstmöglichkeiten. Drechseln und Schnitzen erwiesen sich als lukratives Geschäft, zumal das Rohmaterial dazu fast ins Fenster herein wuchs. Neben allerlei Möbelteilen wurde nun auch Holzspielzeug (auch der Nussknacker wurde zum Kinderspielzeug) angefertigt.

Die Geburtsstunde für Engel und Bergmann, Schwibbogen, Räuchermännchen und eben auch für den Nussknacker hatte geschlagen. Nussknacker als Bergmänner, Gendarmen, Soldaten, Könige, Förster und später auch anderer Gewerke – oft auch als Karikaturen wie z.B. Napoleon oder Bismarck - wurden im gesamten Erzgebirge und Vogtland hergestellt und weit über seine Grenzen hinaus vertrieben. Den klassischen Nussknacker-Korporal/Husar, wie er heute in der Mehrzahl existiert und als der echt erzgebirgische in Form und Farbe Verbreitung gefunden hat, wurde vom Seiffener Friedrich Wilhelm Füchtner (1844-1923) um 1870 gedrechselt.

Heute hat der erzgebirgische Nussknacker seinen festen Platz – mitunter nicht nur zur Weihnachtszeit – neben all den anderen Figuren, die das Erzgebirge symbolisieren, gefunden. Trotzt einiger Versuche, den alten Hebelmann zu modernisieren, ihn in Soldatenuniform zu stecken oder ihm Politiker-Gesichter zu verpassen, die das Maul weit aufreißen, selbst dann, wenn sie gar keine Nuss zu knacken haben – hat sich der rot oder blau bemalte Korporal/Husar mit der großen Gusche durchgesetzt, der heutzutage in keiner Erzgebirgsstube fehlen dürfte, - auch wenn mancher von ihnen zum Knacken von Nüssen gar nicht mehr in der Lage ist...

All diesen hölzernen Gesellen hat August Heinrich Hoffmann von Fallerleben (1798-1874) mit folgenden Kinder-Reimen ein lyrisches Denkmal gesetzt:


Nußknacker, du machst ein grimmig Gesicht-
Ich aber, ich fürchte vor dir mich nicht:
Ich weiß, du meinst es gut mit mir,
Drum bring ich meine Nüsse dir.
Ich weiß, du bist ein Meister im Knacken:
Du kannst mit deinen dicken Backen
Gar hübsch die harten Nüsse packen
Und weißt sie vortrefflich aufzuknacken:
Nußknacker, drum bitt ich dich, bitt ich dich,
Hast bessere Zähn als ich, Zähn als ich.
O knacke nur, knacke nur immerzu!
Ich will dir zu Ehren
Die Kerne verzehren.
O knacke nur, knack knack knack! immerzu!
Ei, welch ein braver Kerl bist du!

Asiatische Plagiate und soziale Problem – ein Zusammenhang

Gemeint ist hier aber immer der aus echter erzgebirgischer Produktion stammende Nussknacker, den man nicht nur am Markenzeichen erkennen, sondern auch durch den nicht bemalten Boden von asiatischen, insbesondere chinesischen Billig-Plagiaten unterscheiden kann.

Nach dem Tod Mao Tse-tungs im Jahre 1976 öffnete sich China dem Westen. Deutsche, aber vor allem amerikanische Firmen ließen im Billiglohnland China Nussknacker produzieren, die dann über taiwanesische Händler vertrieben wurden. In der freien Marktwirtschaft sind weder die Produktion dieses Typen noch ihr Vertrieb verboten. Vorausgesetzt, die Herkunft ist gekennzeichnet. Man kann es bedauern, dass diese Surrogate auch in Männel-Läden im Erzgebirge verkauft werden, - und das nur, weil sie gekauft werden. Geht die Nachfrage nach solchen Volkskulturplagiaten (Foto links) zurück, wird diesen Anbietern auch die Existenz entzogen.

Allerdings sind die Käufer nicht immer unpatriotische Dicknischl, bei denen das Echte aus der Heimat keine Rolle spielt. Oftmals verbergen sich hinter solchen Kunden soziale Probleme, in erster Linie Geldmangel. Schließlich sind die originalen Erzeugnisse – nicht nur die Nussknacker – keineswegs preiswert. Wie wollte es man also dann den weniger Betuchten verdenken, die auch einen Anspruch auf ihren Nussknacker, Engel, Bergmann, Schwibbogen, Spinne, Räuchermann, Pyramide... haben, wenn sie bei den fremdländischen kopierten Billigprodukten zugreifen? Schließlich gab es zwischen ehrlichem Patriotismus und unverschuldetem sozialem Stand schon immer einen widersprüchlichen Zusammenhang, der auch nicht durch Appelle an die Vernunft der Käufer und Verkäufer gelöst werden kann...- aber das wäre schon wieder einer anderen Betrachtung wert.

g.b.s.