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STOLLEN
Das Fastengebäck kommt nicht aus Sachsen - ist aber seit über drei Jahrhunderten auch im Erzgebirge zu Hause
So leid es mir tut, aber der Annahme, dass der Christstollen oder Weihnachtsstollen ein typisch sächsisches Weihnachtsgebäck, gar noch ein erzgebirgisches sei, widerspricht die Geschichte. Seine Wiege stand nämlich ehemals in Naumburg. Im Jahre 1329 wurde die Stolle erstmals urkundlich erwähnt und zwar in einem Dokument aus dem hervor geht, dass dem dortigen Bischof Heinrich I. von Grünberg (Amtszeit 1316-1335) dieses Gebäck in der Fastenzeit überreicht wurde. Und so waren die ersten Stollen über viele Jahrhunderte ein recht mageres Fastengebäck (was man noch heute so manchem Stollen anschmeckt), da ja der Advent - also die Stollenbackzeit - Fastenzeit war. Die Form eines in Windeln eingewickelten Jesuskindchens hat sich bis heute erhalten, obwohl auch manche - abgeleitet vom Namen - den Bogen eines Stolleneingangs darin erkennen wollen. Um den mageren Stollen in den folgenden Jahren reichhaltiger auf den Tisch bringen zu können, mußte die Erlaubnis des Papstes eingeholt werden, was aber erst zu Beginn des 15. Jahrhundert geschah (vermutlich von Papst Benedikt XIV., bürgerl.: Bernard Garnier, aus Frankreich stammend und von 1425–1430 als Gegenpapst in Avignon residierte; andere Quellen meinen, dass es “Genießer”-Papst Eugen IV. bürgerl.: Gabriele Condulmaro aus Venedig stammend und von 1431–1447 regierend, gewesen sein soll).
“ERB-GERICHTE - Vom Essen und Trinken im sächsisch-böhmischen Erzgebirge. Eine genussreiche Kulturgeschichte mit vielen Rezepten” (Autor: Gotthard B. Schicker, 250 Seiten, reich illustriert, 14,95 Euro, ISBN 978-3-9817041-0-5) Bestellungen - hier.
Die Stollenproduktion, so wie wir sie noch heute kennen - fast auch auf die Zutaten genau - haben wir dann allerdings dem Genussmenschen August dem Starken zu verdanken, der sich im Jahre 1730 einen Riesenstollen von an die zwei Tonnen Gewicht hat backen lassen. Auf diese Jahreszahl geht auch die Tradition des Dresdener Stollenfestes zurück, das bekanntlich an jedem 2. Adventsonntag auf dem Striezelmarkt - dort heißen die Stollen ja Striezel - begangen wird. Obwohl die Marke “Dresdner Stollen” bereits vor der Wiedervereinigung der Deutschen bereits geschützt war, wurde dies in den Verhandlungen zwischen den damaligen beiden deutschen Staaten ebenfalls als eine schützenswerte Sache angesehen, so dass seit etwa 22 Jahren unter diesem Namen nur solche Stollen (Striezel) verkauft werden dürfen, die auch im Raum Dresden hergestellt wurden. Deshalb nennen sich die aus unserer Gegend dann auch “Echt Erzgebirgischer Christstollen”, “Original Erzgebirgischer Christstollen” oder “Original Erzgebirgischer Butterstollen”. Nachweisbar ist der Stollen in Annaberg etwa ab 1750, vermutlich über Freiberg und Schneeberg kommend. Heute gibt es neben dem dominierenden Rosinenstollen, auch solche mit Mandeln, Marzipan oder Mohn. Oder welche mit Zuckerguß oder Staubzucker. Auch mit Engel, Bergmann oder kleinem Räuchermännchen im Karton neben den Stollen, die bereits massenweise ab Ende August die Backfabriken in alle Welt verlassen. Aber auch die kleinen Bäckereien und Konditoreien überschlagen sich in der Adventszeit mit ihren mitunter sehr schmackhafteren Stollenangeboten, die sich in nahezu jeder Beziehung von den trockenen Teigstücken (die leider auch oft den Namen Stollen mißbrauchen) in den Supermärkten - und teilweise auch in den Großbäckereien - absetzen, und die auch fast alle bei Stiftung Warentest im vergangenen Jahr durchfielen, während der aus Dresden großes Lob bekam. Ob nun aus der Groß- oder Kleinbäckerei, ob aus Dresden oder Annaberg - ein Stollen aus Sachsen darf in der Weihnachtszeit eigentlich auf keinen Tisch und auf den Weihnachtsmärkten mehr fehlen. Und das ist nicht nur gut so, sondern das bleibt auch so...
s.
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