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Reformation in Annaberg und Buchholz

Am vergangenen Freitag wurde unter dem Titel „Reformation – lokale Auswirkungen in Annaberg und Buchholz“ von der Kulturmanagerin Dr. Gabriele Lorenz und dem Leiter der Städtischen Museen Annabergs, Wolfgang Blaschke, eine sehenswerte Sonderausstellung aus protestantischer Sicht im Erzgebirgsmuseum eröffnet. Dazu spielte das Buchholzer Blockflöten-Sextett beschwingte Musik aus der Zeit der Renaissance, wie sie einst auch in Annaberg erklungen sein dürfte.
Ausstellungseröffnung (Andere)

Die ansprechend gestaltete Sonderschau u.a. mit Leihgaben aus dem böhmischen Most spannt den Bogen von den Ereignissen im 16. Jahrhundert bis zu den kulturellen uns sozialen Folgen der Reformation für Annaberg, Buchholz und die Region. Ferner geht sie auf böhmische Exulanten ein, die nach der der Schlacht am weißen Berg ab 1620 sowie der in Böhmen und Österreich beginnenden Rekatholisierung u. a. nach Sachsen flüchteten.
Skulpturen bzw. Darstellungen von Martin Luther, Herzog Georg, Friedrich den Weisen sowie Johannes Tetzel sind ebenso zu sehen wie Schriften von Luther oder zur Inquisition in Sachsen. Dargestellt sind ferner der Annaberger Bergaltar sowie Zeugnisse zur Gegenreformation. Bedeutsam ist das frisch restaurierte Epitaph der Annaberger Familie Schreiter, aus der im 16. und 17. Jahrhundert mehrere sächsische Theologen hervorgingen. Außer dem Ölgemälde existiert ein steinernes Epitaph in der Annenkirche neben dem berühmten Bergaltar. Präsentiert werden außerdem selten gezeigte Objekte wie der Arnsfelder Chorrock sowie besondere Leihgaben aus dem Regionalmuseum Most. Darüber hinaus ziehen viele weitere Stücke, wie z. B. historische Stadtansichten von Annaberg und Buchholz, vom Annaberger Franziskanerkloster sowie Dokumente zur Schulgeschichte und zum Bergbau die Besucher in ihren Bann.
Die Ausstellung zur Reformation ist bis November 2017 im Erzgebirgsmuseum zu besichtigen.Ausstellung 1 (Andere)

Annaberg und Buchholz – heißes Pflaster der Reformation

Annaberg und Buchholz wurden am Ende des 15. und am Beginn des 16. Jahrhunderts in zwei verschiedenen Ländern, im albertinischen bzw. ernestinischen Sachsen gegründet. Diese Grenzlage führte vor allem in der Zeit der Reformation zu vielen Konflikten. Beide Stadtgründer hatten unterschiedliche konfessionelle Prägungen. Während Georg der Bärtige, der Stadtgründer von Annaberg, nach anfänglichen eigenen Reformationsbemühungen, bis zu seinem Tod im Jahr 1539 am katholischen Glauben festhielt, öffnete sich Friedrich der Weise, der Stadtgründer von Buchholz, schon früh lutherischen Lehren und protestantischem Gedankengut, obwohl er bis zu seinem Tode Katholik blieb und erst auf seinem Totenbett das Abendmahl in beiderlei Gestalt zu sich nahm. In seinem Land arbeitete Martin Luther u. a. als Professor in Wittenberg.
Nach dem Reichstag zu Worms schützte Friedrich den Reformator durch die Unterbringung als „Junker Jörg“ auf der Wartburg.
Martin Luther bezeichnete Herzog Georg wegen seiner konservativen Haltung als „das Schwein von Dresden“. Auch vor diesem Hintergrund gab es in Annaberg und Buchholz immer wieder Spannungen im Zusammenhang mit dem „rechten Glauben“. Bereits ab 1524 wurde in Buchholz protestantisch gepredigt, aber erst 1539, nach dem Tod Herzog Georgs in Annaberg. Was dazu geführt hat, dass z.B. die St. Annenkirche von der Bilderstürmerei, wie sie teilweise in Buchholz herrschte, verschont blieb und somit wertvolle Bildwerke und Altäre erhalten geblieben sind.Ablasshandel (Andere)

Erst nach 15 Jahren wurden die Glaubenskonflikte weitestgehend beigelegt. Schon aus dem Jahr 1510 ist ein Disput des Lateinschülers Friedrich Myconius (Mecum) mit dem Dominikanermönch und Ablassprediger Johannes Tetzel in Annaberg überliefert, der mehrfach in Annaberg war und dem bis heute allerlei unwahre Geschichten angedichtet werden, wie z.B. das Tetzel-Haus, das mit seiner Person nichts zu tun hat. Myconius, der spätere Reformator in Sachsen, Thüringen und an der Leipziger Universität wollte von Tetzel kostenlosen Ablass von den Sünden haben. Dieser wurde ihm von Tetzel mit Begründung (Nikolaus Paulus) nicht gewährt.
Nach dem ersten protestantischen Gottesdienst von Friedrich Myconius am 2. Juli 1524 im ernestinischen Buchholz wurden Annaberger Bürger, die zum Gottesdienst nach Buchholz gingen, mehrfach bespitzelt und auf "Scharzen Listen" notiert. Außerdem mussten „abtrünnige“ Christen Strafarbeiten beim weiteren Ausbau der Annaberger Stadtmauer verrichten. johann_tetzel (Andere)
Auch Rechenmeister Adam Ries soll protestantische Gottesdienste in Buchholz besucht haben. Er blieb auf Grund seiner besonderen Stellung aber unbehelligt.
Ein krasser Auswuchs der Reformation war die „Buchholzer Spottprozession“ im Jahr 1524, die weithin für Aufsehen sorgte. Dabei wurde die von Georg dem Bärtigen angeregte Heiligsprechung Bischof Bennos (gest. 1106) karikiert, indem die Reliquien in Form von Tierknochen in „feierlicher Prozession“ durch Buchholz getragen und anschließend im Wasser versenkt wurden.

Nach dem Tod Herzog Georgs trafen sich die Albertiner und Ernestiner am 4. Mai 1539 zum Fürstentag in Annaberg. Reformator Friedrich Myconius hielt dabei im Annaberger Franziskanerkloster die erste protestantische Predigt. Wenige Tage später wurde in ganz Sachsen den Protestantismus eingeführt. Im Zuge dessen wurde das Annaberger Franziskanerkloster ab 1540 säkularisiert. Es war erst zwischen 1502 und 1512 errichtet worden und diente sowohl Herzog Georg als auch Tetzel als Quartier. Von den 40 Mönchen gingen 39 daraufhin nach Kaden und Eger ins Böhmische.

Sachzeugen der Reformation noch heute zu besichtigen

Zahlreiche Sachzeugen aus der Zeit der Reformation sind noch heute in Annaberg-Buchholz zu besichtigen. Dazu gehört an vorderster Stelle der Annaberger Bergaltar von 1521. Die berühmteste Darstellung des Silberbergbaus in Sachsen zeigt ebenso wie der Bergknappe an der Kanzeltreppe erstmals Darstellung von arbeitenden Menschen in einer Kirche.
Das zeugt vom Erstarken der Bürger und insbesondere der Bergknappschaften. Zwei Kelche von 1519 und 1540 mit kleiner und großer Kuppa zeigen augenfällig den Wandel von der Hl. Kommunion hin zur Abendmahls-Praxis.
Eine Grabungsstätte befindet sich aktuell am ehemaligen Annaberger Franziskanerkloster. Weit über 10.000 Fundstücke erinnern an das einst wichtige Annaberger Gebäude. Kunstwerke des Klosters sind mit der „Schönen Tür“ (Hans Witten) in der Annenkirche sowie mit dem Hauptaltar und dem Altar der Wolfgangsbruderschaft in der Buchholzer Katharinenkirche erhalten geblieben.
Ein Denkmal Friedrichs des Weisen befindet sich auf dem Buchholzer Rathausplatz, ein Entwurf für das vor Jahren abgetragene und verrottete Sandstein-Denkmal des Stadtgründers und Bauherren von Annaberg, Herzog Georg, (einst am Buchholzer Tor) im Erzgebirgsmuseum. Ausstellung 2 (Andere)
An der Annenkirche thront das Denkmal Martin Luthers. An den Dominikanermönch Johannes Tetzel erinnern ein vermeintlicher "Tetzel"-Kasten im Foyer der Annenkirche (früher in Sakristei) sowie seine Quartier in der Buchholzer Straße (dort nicht ersichtlich) und sein fälschlich angenommenes in der Großen Kirchgasse (Funktionsgebäude der Sparkasse).

Darüber hinaus weisen Adam-Ries-Darstellungen im Adam-Ries-Museum in der Johannisgasse sowie Exemplare seiner Rechenbücher auf die bewegte Reformationszeit im 16. Jahrhundert in Annaberg und Buchholz hin. Aufschlussreiche literarische Einblicke bietet außerdem die Reformationsgeschichte von Friedrich Myconius (Mecum) „Historia Reformationis“, herausgegeben 1715 von E. S. Cyprian in Leipzig, sowie die zahlreiche Reformations-Literatur aus protestantischer und der wenigen aus katholischer Sicht.
An konfessionsfreien Sichtweisen mangelte es bisher. In den Jahren 2016/2017 sind rechtzeitig zum 500. Jubiläum auch solche Werke auf den Markt gekommen, die sowohl die Person Luthers, aber auch seine Zeit und sein Umfeld - z.B. auch Tetzel in Annaberg - einer differenzierten und vor allem unabhängigen wissenschaftlichen Sichtweise unterziehen.

M.F./red.
Fotos: Matthias Förster (2); AW (2)