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THEATER ABC

 

 


 

 
Du holde Kunst...

Mit der erfolgreichen Premiere der Schauspielversion des Films „Wie im Himmel“ von Kay Pollak ist es dem Annaberger Theater-Ensemble am 2. April 2017 gelungen, nicht nur die Macht der Musik, insbesondere des Chorgesangs, sondern auch deren mitunter erlösende Wirkungen im Privaten und im Gesellschaftlichen berührend und nachdenklich zu vermitteln.

Die Inszenierung unter der Regie von Tamara Korber erzählt die Geschichte vom einst gefeierten Dirigenten Daniel Daréus (Dennis Pfuhl), der nach einem gesundheitlichen Zusammenbruch seine Karriere beendet und wieder in sein abgeschiedenes Heimatdorf in Schweden zurückkommt, unsentimental, metaphernreich und mit psychoanalytischen Verweisen, aber dadurch auch überaus berührend und nachdenklich. In jenem schwedischen Dorf übernimmt der einstige Maestro zunächst widerstrebend, dann aber mit zunehmendem Enthusiasmus den kleinen Kirchenchor und baut ihn zu einem beachtlichen Klangkörper aus, den das Publikum – verstärkt durch die Kantoreien aus Buchholz und Sehma – am Ende des Stückes zwar wohlklingend, aber fast nur summend oder als Vokalise-Chor erleben kann.
Köstlich, wie Dennis Pfuhl seine Chorproben durchführt, die mit zwar ungewöhnlichen, aber erfolgreichen Stimmübungen gespickt sind, von denen durchaus einige auch an diesem Theater in anderen Zusammenhängen zur Anwendung kommen könnten...
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Leider verläßt der begabte Schauspieler Pfuhl unser Haus, in dem er viele Facetten seiner Schauspielkunst zeigen konnte. Haben wir ihn oft als quirligen, temporeichen und auch humorvollen Darsteller erlebt, so konnte er in dieser Dirigentenrolle noch einmal seine dramatischen Fähigkeiten ausspielen. Er bildet dabei das Zentrum, die Anspiel-Person an der sich alle anderen Individuen mit ihren vielfarbigen Konflikten abarbeiten. Wie er sich den Widerständen, Konventionen, Intrigen und neidvollem Gebaren der ländlichen Kleinbürger entgegenstellt, und wie der einst erfolgreiche Dirigent die Konfrontationen mit dem Alltäglichen und dessen Protagonisten aushält, beeinflußt und versucht, mit der Musik zum Besseren zu wenden, hat nachhaltige darstellerische Leistungen zur Folge. Solche Abgänge von einem Theater bleiben in Erinnerung – auf beiden Seiten!Wie_im_Himmel_HP2-5175 (Andere)
Die Figurenentwicklung des Dirigenten ist insbesondere auch Isa Etienne Flaccus zu verdanken, die als seine spätere Partnerin Lena mit etlichen Gefühlsvarianten aufwarten kann, und so ihre Zerrissenheit zwischen Männern und Verhältnissen – noch dazu in einer prononcierten Sprache – an ihn und über die Rampe bringt. Große Darstellungskunst erlebte man auch wieder mit Marie-Luise von Gottberg, die sich in dem stilvollen, atmosphärisch und ästhetisch ansprechenden Bühnenbild (Robert Schrag) als gebürtige Schwedin wie zu Hause fühlen dürfte. Unterstützt wurde die etwas kühle, aber durchaus nicht kalte Ausstattung durch gut dosierte Lichteffekte und Video-Einspielern (Sebastian Paul/Willy Schalling) zu Beginn und am Ende des Abends sowie durch den Einsatz der Drehbühne.
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Schauspielerische Leistungen mit großer Nachhallzeit kamen auch von Gisa Kümmerling als Siv, von Arne, dem Manager des Chores, der durch Marvin Thiede - wie immer – mit stabiler künstlerischen Leistung überzeugte. Beeindruckend auch der sozial verkommene Trunkenbold von Nenad Žanić, der nicht nur seine Frau schlägt, sondern auch zu den Geschlagenen der Gesellschaft gehört, wie etwa Philipp Adam, der schon über Jahre als „der Dicke“ gemobbt wird, nun aber in einem befreienden und gekonnt gebotenem Extemporé zurückschlägt, - ein bemerkenswerter Gefühlsausbruch, der erstarrend machte.
Eine Art doppelte Erlösungsgeschichte geht da über die Annaberger Bühne: Es wird aufgezeigt, dass die Musik in der Lage sei, sowohl das Individuum als auch die Dorfgemeinschaft – die auch zu einer Chorgemeinschaft wird - von vielen irdischen Verwerfungen zu befreien. Was auf der Bühne möglich ist, bleibt im wirklichen Leben zu hoffen: Der Umgang mit der Behinderung des Tore (zurückhaltend, aber beeindruckend gespielt von Sebastian Schlicht), die Gewalt in der Ehe zwischen Conny (Nenad Žanić) und seiner Frau Gabriella (Elisabeth Markstein), oder die Bigotterie des Pfarrers Berggren (gekonnte Charakterzeichnung von Udo Prucha) und die emanzipatorischen Versuche seiner Frau Inger (Marie-Luise von Gottberg). Sie ist es auch, die vor ihm das kirchliche Dogma der Sünde leugnet und in nahezu philosophischen Texten auch gleich die Begründung mitliefert, indem sie zurecht die Machterhaltung der Kirche dahinter vermutet, die damit die Sünde als eine Zuchtrute Gottes einsetzt. Eine Kirche, aus der die im Stück 80jährige Olga (gespielt von der viel jüngeren Anne Wolff) austritt, dabei aber gläubig bleibt, wie sie dies dem scheinheilgen Pfarrer mit großer Geste und zu dessen Erstaunen mitteilt.
An manchen Stellen des Schauspiels hätte auch ein Musical daraus werden können. Zwei ausgewiesene Musikanten zeichnen für diese Seite verantwortlich. Ob Markus Teichler an der Gitarre/Keyboard, oder Peggy Einfeldt am Keyboard/Akkordeon musizieren, immer treffen sie den rechten Ton. Und dennoch haben sie an diesem Abend zusätzlich überrascht: Beide spielen nicht nur auf ihren Instrumenten, sondern haben auch die Rollen Erik und Florence übernommen, in denen sie – am Ende sogar als Hochzeitspaar – ihre bisher etwas verborgenen schauspielerischen Talente ausleben konnten.
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Neben dem zur Mitte und zum Ende hin immer besser werdenden Schauspieler Chor (tolle Leistung!), ist die musikalische Qualität dieser gehaltvollen Inszenierung insbesondere der Musical-Darstellerin Elisabeth Markstein zu verdanken, die als Gast die Gabriella spielte und sang. An der Seite ihres Trunkenbolds Conny zeichnete sie eine überzeugende Frau, die mit ihren beiden Kindern (Henri Illig/Marie Illig und Esther Schreiter) ein eigenes Leben anstrebt, auch weil sie ihren Stolz nicht verloren hat und endlich „Licht im Dunkel“ sehen will, wie sie in ihrem Schlusslied, gemeinsam mit großem Chor, von ihrem Traum ins Publikum singt. Dabei entfaltet ihre gut sitzende Stimme – mit den markanten Musical-Attitüden – einen nachdenklichen Schauer im Publikum, das sich schließlich mit rhythmischem Applaus bei der klugen Regie von Tamara Korber und beim gesamten großen Ensemble (mit den Kantoreien, vielen Kleindarstellern, wie u.a. den Kindern vom Kindertreff Stadtmitte), auf und hinter der Bühne, herzlich bedankte.
Vielleicht ist ja doch etwas dran an der Musik, jener „holden Kunst“, die „so oft in grauen Stunden“ manch einen “in eine bessere Welt entrückt” hat - wie das schon Franz Schubert wußte, - bevor ihn wieder der Alltag umfing...

red.

Fotos: Rückschloß/BUR

Nächste Vorstellungen: 5.4./8.4. (19.30 Uhr); 16.4 (19.00 Uhr);
21.4./4.5. (19.30 Uhr); 7.5. (19.00 Uhr)
Tel.: 03733/1407-131

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