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Erfolgreich, aber nicht glanzvoll
Das Cole-Porter-Musical „Kiss me, Kate” hatte am Annaberger Winterstein-Theater Premiere. Wenn das, was aus dem Orchestergraben zu hören war, auch auf der Bühne sein Pendant gefunden hätte, wäre von einer erlebnisreichen Inszenierung die Rede gewesen.
Im ausverkauften Eduard-von-Winterstein-Theater hatte am Sonntag eines der frühen amerikanischen Top-Musicals eine recht erfolgreiche, aber keine glanzvolle Premiere. Das Stück von Samuel und Bella Spewack basiert auf der Unverwüstlichkeit mehrerer Komponenten: Die lange Erfahrung einer Paarbeziehung der Schreiber, der Verbindung von Bühne und Privatheit der Darsteller, der Wiederbenutzung eine der erfolgreichsten Komödien des Genies Shakespeare sowie der eindringlichen Raffinesse des Tons des Musical-Fachmanns Cole Porter. Die Story um die Zähmung der widerspenstigen Katharina hat in der Vergangenheit Legionen von Frauen und Männer wechselseitig amüsiert, und das wird auch so bleiben, solange das Zusammenleben beider Geschlechter durchaus als die größte der Lebenskünste gilt, die das besondere Maß an Intelligenz und Gefühl verlangt. Das Positive der Inszenierung zu Beginn: Sie basiert auf der Orchestration von Don Sobesky vom Broadway des Jahres 1999, reduziert auf das notwendige Potential einer durch gekonnt gespielte Saxophone erweiterten Bigband (leider im Programmheft nicht zu lesen, wer die Philharmoniker hier verstärkt hatte!). Unter der kreativen Leitung des 1. Kapellmeister Dieter Klug (Foto) gelang es, das musikalische Esprit der vierziger Jahre, den adaptierten Cole-Porter-Sound zu transportieren. Klug gelange es dabei, einem Orchester, das in diesem Metier nicht ständig zu Hause ist, authentische Töne zu entlocken. Wenn das, was aus dem Orchestergraben von der Erzgebirgischen Philharmonie samt Big Band zu hören war, auch auf der Bühne sein Pendant gefunden hätte, wäre von einer insgesamt erfolgreicheren Inszenierung die Rede gewesen.
Musikalisch beschreibt er gleichsam die Gefühle der Liebe, die Ironie der Texte und den Witz der Situationen. Glücklich dabei auch die Verbindung der Ausstattung der Francesca Ciola bei Kostümen und Bühnenbild, beides durch Einfachheit und moderne Formenadaption aus der Renaissance das Spiel befördernd, Räume schaffend, die vom phantasiereichen Choreographen Alexandre Tourinho weidlich genutzt wurden, um das sehr junge Extraballett, das junge Gesangsensemble und den Chor/Extrachor (Uwe Hanke) Handlungs- und Schweiß treibend, gekonnt und sehr ansehnlich in Szene zu setzen.
Die Regisseurin Birgit Eckenweber (zuletzt verantwortlich für „La Bohéme”) wird wohl ihre geheimen Gründe gehabt haben, einer Opern-Debütantin wie Therese Fauser die Kate/Lilli Vanessi und einem ehemaligen Wagnerbariton, Michael Junge, den Petruchio/Fred Graham zu übereignen. Die Fauser konnte trotz ihrer hübsch anzuschauenden, beweglichen Figur und ihrer angenehmen Stimme, die Faszination einer klug agierenden, faszinierenden, vor allem erotischen Frau - trotz vorn geschlitztem Kleide - nicht recht über die Rampe bringen. Fürs Musical braucht es mehr schauspielerische Mittel, vielfältige Mimik und Sprech-Stimmen-Klang, in den Songs (alles Ohrwürmer!) auch den Mut zu stabilen Tönen, manch abwegigeren Farben im Streite und eine klarere Artikulation, insbesondere der Konsonanten! Vielleicht bringen die Lockerungen der Darsteller nach der Premiere noch manche Facette hinzu… Michael Junge gab den Graham/Petruccio spielerisch zwischen abgewetzten Theaterklepper, fühlendem Mann und berechnenden Erbschleicher recht überzeugend, nicht jedoch in den musikalischen Anforderungen der Duette und Solosongs. Musical ist die schwere Kunst, Darstellung mit charakteristischer Stimmkultur zum Sound aus dem Graben zu modulieren. Verbrauchte Opernattitüden sind hier einfach unangebracht.
Das junge Solistenensemble hingegen legte, so es rollen- und regiemäßig zugelassen wurde, Ehre ein. Das zweite Paar war spielerisch, stimmlich und sinnlich eigentlich das erste. Kerstin Maus als Lois Lane/Bianca bot eine wundervoll „runde” Leistung an Charme, stimmlichen Musicalfeeling sowie Beweglichkeit. Sie erntete dafür zurecht viel Applaus und Bravos! Partner Jason Nandor Tomory (Bill Callhoun/Lucentio), wie immer spielerisch und tänzerisch überzeugend. Stimmlich käme er noch angenehmer rüber, würden seine Pianos nicht zu oft guttural wegrutschen. Die Tenor-Freier, Frank Unger und Marcus Sandmann, originell und stimmlich präsent, wirkten allerdings darstellerisch unterfordert, wie auch das Ganoven-Duo Matthias Stephan Hildebrand und Leander de Marel, denen ihre komödiantischen Potentiale nicht in vollem Umfange abgefordert wurde. Im Unterschied zum „Wirtshaus im Spessart”, dort Lachsalven erzeugend, kamen sie hier im seit 1947 bekannte Duett „Schlag nach bei Shakespeare” etwas altbacken am Text klebend, auf jeden Fall leider arg gebremst, vermutlich auch mit Text-Strichen versehen, über die Rampe. Hier hätte die Regie den beiden Komödianten mehr Freiräume für ihre Entfaltung – auch bis hin zur Klamotte, schließlich geht es hier auch um Theater auf dem Theater - einräumen können. Kabinettstückchen hingegen boten der Töchtervater Max Lembeck (Harry Travor/Baptista) in kultivierter Sprachbehandlung der Shakespearetexte gepaart mit gekonnt gespielten Verzweiflungsgesten, der sehr amerikanische General Howell des László Varga mit angenehmen Gesangstimbre und die nervöse Theaterverliebtheit der Inspizientin von Juliane Roscher-Zücker.
Ob gerade im Anfangsensemble die allzu routinierte Beweglichkeit und Stimmcharakteristik der Bettina Corthy-Hildebrand als Garderobiere Hattie so glücklich gewählt war, lässt Zweifel aufkommen. Gilt doch gerade auf der Bühne, dass der erste Eindruck des Abends ein bleibender sei. Verzichten sollte man (nicht nur) im Musical auf alle pragmatischen Erwägungen wie z.B., dass die neue Stimme am Haus gleich die erste Hauptrolle bekommen muss, dass im Musiktheater immer jede Rolle von Sängern, gar denen von der Oper, besetzt werden müsse, dass Microports nur der Verstärkung zu dienen haben und die Musiker nur im Graben agieren dürften. Besonders gut gelangen die Beweglichkeit der Bühne, die offenen Umbauten, die Nutzung des großen Garderobeständers quer über der Spielfläche z.B. im Duett Maus/Tomory. Die schnelle, offene Bühne wurde indes nicht immer dem notwendigen Tempo des Spiels gewidmet. Manches zog sich, auch in den Dialogen am Anfang. Ob die Streichungen im Textbuch an den richtigen Stellen gelungen waren oder nicht, interessiert das Publikum schon nicht mehr so sehr, wie das unmittelbare Amüsement des Abends. Und da bot das Stück mit der unvergleichlichen Theatralik, der tollen Musik Porters und der Quirligkeit des Ensemble allemal ausreichend Kurzweil.
Wenn man allerdings Informationen über die spezifischen Regieabsichten oder die dramaturgischen Hintergründe dieser Annaberger Inszenierung erhalten will, dann sollte man nicht in dem an fremden Quellen reichen und uninspirierenden Programmheft (Micheael Eccarius) nachschlagen, sondern lieber beim Altmeister Shakespespeare selbst, - „denn da steht was drin...“
Eveline Figura Fotos: Dieter Knoblauch, Theater Annaberg
Nächste Vorstellungen: 7./16.11., 6./14.12., 19.30 Uhr und 9./13.12., 19 Uhr
www.winterstein-theater.de
Annaberger Theater ABC
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