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Lichtblicke & Schandflecken IV

Lichtblicke & Schandflecken Teil 1
Lichtblicke & Schandflecken Teil 2
Lichtblicke & Schandflecken Teil 3

Während das moderne Bildungszentrum „Adam Ries“ der Stadt alle Ehre macht, wird das alte, geschichtsträchtige Gymnasium in der Münzgasse dem Verfall preisgegeben. Etliche Millionen für ein neues Landsratsamt sind aber vorhanden, ein Bruchteil würde genügen, um dem alten Gebäude wieder Form, Sinn und Zweck zu geben.

Modernes Bildungszentrum „Adam Ries“

März 2012 - Vor zwei Jahren im August wurde aus der ehemaligen Annen-Schule auf dem Oberen Kirchplatz, durch Um- und Ergänzungsbauten, das jetzige „Bildungszentrum Adam Ries“. Nicht zu verwechseln mit der ehemaligen „Schola Annabergensis“, die alte Lateinschule, die bereits 1498 vom Stadtgründer, Georg der Bärtig,e hier gegründet wurde und weit über die Grenzen des Erzgebirges hinaus Ehre einlegte. Die „Adam-Ries-Schule“, wie sie allgemein genannt wird, trägt nun den anspruchsvollen Vorsatz „Bildungszentrum“ in ihrem Namen, weil in ihr eine Vorschule, eine Grundschule und eine Mittelschule untergebracht wurde.

Der Gebäudekomplex Mittelschule ist durch einen modernen Glasneubau mit der Vor- und Grundschule verbunden. In ihm sind die Direktorate, die Verwaltung, eine Mensa, ein Internetkaffee und eine Mediathek untergebracht. Sie ist wahrlich ein Lichtblick im Annaberger Stadtzentrum, wenn auch manche meinen, dass dieses ewige Grau, was in der Stadt mit dem alten Rechenmeister, der von 1522 bis zu seinem Tode in Annaberg lebte und lehrte, in Verbindung gebracht wird, gar nicht so recht in die Farb-Ästhetik an diesem historischen Platz passen würde. Ähnliche Kritik erfährt - auch wegen seiner grauen Stein-Kühle - der Raum vor dem „Schockoguschl“ bzw. vor dem Adam-Ries-Museum in der Johannisgasse. Und dennoch können die Schüler und deren Eltern froh darüber sein, dass es diese Schule in dieser Form gibt. Die Stadt hätte sich freilich auch alternativ einer anderen Schule zuwenden können, um sie vor dem Verfall zu retten.

Altes Gymnasium dem Verfall preis gegeben

Als das Schulgebäude der alten Lateinschule und späterem Lyceum in der Großen Kirchgasse mehrfach abbrannte, entschloss man sich im Jahre 1872 auf engem Raum in der Münzgasse ein neues Schulgebäude zu errichten. Erst 1899 kam eine Turnhalle und schließlich 1914 ein Anbau für die naturwissenschaftlichen Fächer hinzu. Nach dem I. Weltkrieg wurde die Schule dann zum Staatsrealgymnasium befördert. Im Jahre 1934 erfolgte die Umbenennung in „Anton-Günther-Schule“, weil die damaligen Machthaber der Meinung waren, der Liedermacher des Erzgebirges stünde dem „Neien Wind“ besonders nahe. Dabei kann die Schule, neben ein paar späteren Nazigrößen, auch auf solche Schüler wie Dr. Theodor Korselt verweisen, der am 25. August 1943 um 19.15 Uhr in Berlin Plötzensee hingerichtet wurde. Oder Konrad Held, der hier 1936 sein Abitur ablegte, zur Gruppe Stauffenberg gehörte und 1945 gehängt wurde. Bis zum Sommer 1944 waren 144 Schüler im Krieg gefallen.

Das Gymnasium in der Münzgasse in einer Aufnahme von 1934

Da aber diese Schule ihre Traditionslinie mit der „Schola Annabergensis“, der alten Lateinschule, sieht, sind hier auch solche Namen wie u.a. Erasmus Sarcerius, Georg Fabricius, Hironymus Lotter, Matthias Oeder als Schüler bzw. Lehrer zu nennen. Nach dem II. Weltkrieg kam zunächst das „Aus“ auch für diese Schule. Nazilehrer wurden enlassen, Mitläufer konnten sich rüberretten, zwei Oberstudienräte (Hamann und Günther) wurden in die Sowjetunion verschleppt, Studienrat Hermann wählte den Freitod. Ab 1952 erhielt die Schule den Namen des ersten Kulturministers der DDR, des Dichters der Nationalhymne und anderer Gedichte, Johannes R. Becher. Zur Namensweihe war er persönlich anwesend. Bevor es jedoch zum Festakt kam, sprang Arthur Schramm auf die Bühne in der Aula, um dem erstaunten Publikum und den verwirrten Funktionären seinen „Friedensaufruf“ zu Gehör zu bringen.

Zwei Jahre später, nach etlichen Umbauten, bekam die Schule den Zusatz „Erweiterte Oberschule“ (EOS). Hier durften jetzt die besten Schülerinnen und Schüler aus den anderen Schulen ihr Abitur ablegen. Obwohl es hieß, dass die Kinder aus Arbeiterfamilien vorrangig hier aufgenommen würden, fanden sich dann doch die Söhne und Töchter aus den Resten der Annaberger Bürgerfamilien auf dieser Schule, an der sich auch im Lehrerkollektiv Lehrer etablieren konnten, die z.B. neben der Leitung eines bekannten Schulchores, der auch FDJ-Lieder sang, dann an den Sonntagen den katholischen Kirchenchor dirigierten. Nach der politischen Wende wurde aus der EOS zunächst wieder ein normales, städtisches Gymnasium, das nun auf den Namen der Heiligen Anna getauft wurde. Lange konnte der Segen der Mutter Mariens allerdings nicht über dem Haus geschwebt sein, denn seit dem Schulträgerwechsel im Juli 1995, als das Gebäude in die Trägerschaft des Landkreises kam, zogen hier alle möglichen Firmen, Büros und Agenturen ein und wieder aus.

Derzeit steht das schöne Haus in der Münzgasse seit einigen Jahren völlig leer und ist offensichtlich dem Verfall preis gegeben. Angesichts der klammen Kommunal-Kassen fragt sich der Steuerzahler nun berechtigt, wieso ein neues Landratsamt (bei angeblich weiterer Reduzierung des Beamtenapparates!) für über 15 Mio. EUR errichtet werden muss, wenn dieses Schulgebäude mit wesentlich weniger Sanierungskosten diesen Zweck durchaus erfüllt hätte. Es gibt aber in Annaberg noch weitere Gebäude, die man kontinuierlich verfallen lässt, ohne sie durch Rekonstruktion – oftmals mit wenig Mitteln – zu retten und einer neuen Nutzung zuzuführen. Wieviel derartig Schandflecken will sich die Stadt eigentlich noch leisten?!

red.

 

 

 

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