LESERPOST
ÜBER UNS
IMPRESSUM
WERBEN

Gegründet 1807

www.annaberger.info

Wiedergegründet 2011

    POLITIK   WIRTSCHAFT   KULTUR   LOKALES   HISTORISCHES   STADTFÜHRER    WEIHNACHTEN    GASTRO

 

THEATER ABC

 

 



 
Links-liberaler Stadtrat an der Bergmannskrippe

Dem heimatverbundenen Kaufmann Johannes Proescholdt aus Offenbach am Main, dem Enkel des Annaberger Lebensmittelhändlers Benno Löser, haben wird die geschnitzte Figur des Gustav Hermann Köselitz (18.10.1822 -
2.10.1910) zu verdanken, die, von ihm gesponsert und vom Holzbildhauer Ronny Tschierske gestaltet, dieser Tage der Bergmannskrippe hinzugefügt wurde. Der Vater des Malers Rudolf Köselitz und des Komponisten und Adlatus Nietzsches, Heinrich Köselitz (alias Peter Gast), der Vizebürgermeister, Stadtrichter, Stadtrat, links-liberaler Landtagsabgeordnete, Ritter, Freimaurer und Ehrenbürger seiner Geburtsstadt gehört zu den bedeutendsten Persönlichkeiten Annabergs.
Hermann Köselitz von Ronny Tschirske 2014 (Andere)

Er entstammt einer alten sächsischen und sächsisch-anhaltinischen Familie, deren Wurzeln bis an den Hof von Zerbst zurück reichen. Jenem Adelshause, aus dem die spätere Katharina die Große von Russland hervorging und an deren Zerbster Schloss ein Urahn von Gustav Hermann (Foto), Gottfried Reinhold Köselitz (um 1690 im polnischen Koszelice/Köselitz geboren), ab 1734 als Wirklicher Hof- und Regierungsrat tätig war. Hermanns Eltern waren
Julius Karl Köselitz (19. April 1782 in Annaberg - 28. Oktober 1846 Annaberg) verheiratet (31.7.1808) mit Johanna Theresia Gnaspe (26.12.1787 in Annaberg – 28.1.1860). Sein Vater war Kauf- und Handelsmann sowie Kammermeister und – wie später sein Sohn – aktiver Freimaurer in Annaberg. Er gründete am 10. Februar 1821 die 1. Spar- und Leibkasse gemeinsam mit Friedrich August Dietrich - auch Dietrich´sche Sparkasse Annaberg genannt. Und er stiftete 1823 der Stadt eine gewerblich orientierte Sonntagsschule, aus der sich die Gewerbeschule entwickelte.
Er war Mitgründer des Annaberger Gewerbevereins und der Museumsgesellschaft. Am 30. Juli 1841 übernahm er von Johann August Conrad die Leitung der 1807 gegründeten Tageszeitung 
Annaberger Wochenblatt, die nach seinem Tod von seinem Schwiegersohn, dem Bürgerschullehrer Karl Ludwig Schreiber übernommen wurde.Gustav Hermann Köselitz 2-001 (Andere) (2)
Der spätere Ehrenbürger von Annaberg, Gustav Hermann Köselitz (Foto), wuchs in einem mittelständigem Intellektuellenhaushalt auf, in dem u.a. auch Kunst und Literatur von nicht geringer Bedeutung waren. Nach dem Matura und dem Besuch der Gewerbeschule in Chemnitz ging er nach Wien, wo er in der Färberei (Blaufärberei und Seidenfärberei) von Alfred Corra eine Ausbildung absolvierte. Anschließend arbeitete er in Deutschland, Frankreich und der Schweiz und ließ sich 1844 als Seidenfärbereibesitzer (Töpferplatz/heute Köselitzplatz Häuser 1 und 2) in Annaberg nieder. In Wien lernte er auch seine spätere Frau, Karoline geb. Grimmer (29. Oktober 1819 in Horskau, aufgewachsen in Wien; - 14. März 1900 in Annaberg) kennen, die Tochter eines Schneidermeisters aus Währing bei Wien, der dort auch Kirchner war, und die er am 3. November 1845 in Annaberg heiratete. Ab den 1860ern ist er als Stadtverordneter und von 1871 an als Stadtrat von Annaberg nachweisbar. Ab 1880 hatte er das Amt des besoldeten Stadtrichters inne und war in dieser Funktion auch stellvertretender Bürgermeister.

Gustav Hermann Köselitz engagierte sich politisch in der Deutschen Fortschrittspartei (1861 gegr. links-liberale Partei, die in Opposition zu Bismarck stand und später in die Deutsche Freisinnigen Partei aufging). Im Auftrag dieser Partei war er auch mehrere Jahre Abgeordneter des Sächsischen Landtags.
Von 1879 bis 1885 vertrat Hermann Köselitz dort den 19. städtischen Wahlkreis in der II. Kammer. Am 18. Oktober 1892 wurde sein Wirken mit der Ernennung zum Ehrenbürger von Annaberg gewürdigt. Er war Ritter des Albrechtsordens und
Freimaurer der Annaberger Johannisloge „Zum treuen Bruderherzen“.
Dass Köselitz links-liberale Auffassungen vertreten haben dürfte, geht aus einem Brief vom 1. April 1931 von Sohn
Rudolf Köselitz an Friedrich Götz, dem Beinahe-Schwiegersohn (er war mit Corina, der Tochter von Peter Gast, verlobt, sie starb aber mit 19 Jahren) von Peter Gast, hervor: „Peters, Pseudonym Elfried von Taura, Schriftsteller und Dichter, weilte als politischer Flüchtling verborgen kurze Zeit im Elternhaus“. Es handelt sich dabei um den späteren Schriftsteller August Peters (1817 Taura - 1864 Leipzig), dem Ehemann der Frauenrechtlerin Luise Otto-Peters, der als Führer badischer Aufständischer gefangen und zunächst zum Tode verurteilt, aber 1856 begnadigt wurde. Er blieb zeitlebens seinen sozial-liberalen Auffassungen treu. Es ist anzunehmen, dass Peters Vater in der Blaufärberei von Hermann Köselitz arbeitete.
Am 31. Dezember 1897 ging Gustav Hermann Köselitz in den Ruhestand und gründet am 18. Oktober 1898 (an seinem 76. Geburtstag) die „Stadtrat-Köselitz-Stiftung“, die vom Annaberger Stadtrat verwaltet wurde (Stiftungszweck: Jährliche Zuwendung für sechs nachweislich unbescholtene und bedürftige Bürger).
Der Rat der Stadt begründet diese Stiftung mit 1.000 Mark, Köselitz gab 3.000 Mark hinzu, weiter Einzahlungen von anderen Bürgern führen 1899 zu einem Stiftungskapital von 8.000 Mark. Über den Verbleib der Stiftung, einschließlich Kapital, war bisher nichts zu ermitteln.

Aus der Ehe des Gustav Hermann Köselitz mit Karoline geb. Grimmer gingen elf Kinder hervor, deren Namen und Biographien noch Forschungsgegenstand sind. Derzeit wissen wir von drei männlichen Nachfahren: Theodor, Heinrich und Rudolf. Die Nachfahren von Theodor sind in Zwickau ansässig. Dort hin übernahm er Teile der väterlichen Blaufärberei, später produzierte er Kartonagen. Die Nachfahren von Rudolf (Foto links), dem Maler, leben in München, wo er mit seiner Frau Marie zwei Töchter, Hanna und Doris, hatte. Die Tochter aus Heinrichs (Peter Gast, Foto rechts) Ehe mit Elise Wagner, Corina, starb mit 19 Jahren, so dass hier keine Nachfahren existieren. Über die Nachfahren der acht Töchter ist bisher nichts bekannt.

Gustav Hermann Köselitz starb am 2. Oktober 1910 und wurde am 5. Oktober um 15 Uhr auf dem Alten Friedhof zu Annaberg beerdigt. Auch seine Grabstätte (die er mit seiner Frau Caroline teilt), wie auch die von Peter und Carina Gast, sowie unzähliger anderer Persönlichkeiten der Stadt, sind der willkürlichen Umgestaltung des Gottesackers ab dem Jahre 1981 zum Opfer gefallen.
Um so erfreulicher ist es, dass an den links-liberale Freidenker Gustav Hermann Köselitz mit dieser durch einen heimatverbundenen Sponsor gestaltete Holzskulptur erinnert wird, wenn sich auch der Verewigte etwas über seinen Platz an einer Krippe in der Kirche verwundern dürfte...

Gotthard B. Schicker