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Nebulöse KÄT-Zählung
In den bald 500 Jahren, seit es das Volksfest gibt, hat es mehrfach nicht stattgefunden, so dass auch in diesem Jahr nicht von der 497. (497ten) Kät die Rede sein kann, sondern richtigerweise von 497 Jahre Annaberger KÄT. Es hätten aber auch andere katholische Feste in Annaberg zu einer Rummel-Entwicklung á la KÄT getaugt. Die eigentliche Initialzündung zu unserem jetzigen Volksfest lag allerdings ein Jahr früher. Versuch einer Klarstellungen.
Annaberger Chroniken berichten davon, dass es Prozessionen mit anschließenden Freudenfesten schon kurz nach Erbauung unserer Stadt gegeben hat. So z.B. 1504, als Herzog Georg zum Fest Lätare (Mitte März) einen Reliqienschatz von später an die 120 Stück (viele davon von der Hl. Anna) in die noch unfertige Stadt Annaberg bringen ließ. Jenisius bemerkt 100 Jahre später in seiner Annaberger Chronik dazu: „...hatt man St. Annen Heiligthumb aus Frankreich allhier angebracht“. Damit verfügte die neue Stadt am Schreckenberg über einen der größten Heiltumschätze des damaligen Mitteldeutschlands, der sich weit über Annaberg hinaus bei den Gläubigen größter Beliebtheit erfreute und zahlreiche Pilger anzog. Christof Volkmar schreibt in seiner aufschlussreichen Arbeit „Annaberger Heiltum“ (Göttingen 2006) über den Umgang mit diesen Reliquien in den Jahren nach 1504: „Am Annentag, an dem Kirchweihe, Jahrmarkt und der Festtag der Stadtpatronin als ein einziges großes Fest begangen wurden, führte man Annas Reliquien in Prozession durch die Stadt und bat um ihren Segen beim weiteren Aufbau des Gemeinwesens.“ Herzog Georg sammelte bereits seit 1503 derartige Reliquien, um auch gegenüber dem Gründer von Buchholz, Friedrich der Weise, konkurrenzfähig zu sein. Im Jahre 1510 brachte dann seine Gattin Barbara von Sandomierz, eine polnische Königstochter, von ihrer Pilgerreise aus Frankreich nicht nur eine kaiserliche Bulle mit, die u.a. die Verehrung der Gebeine sanktionierte, sondern auch „einen Finger von der heyligen Annen Leib und in der Hauptkirchen mit großer Andacht beygesetzt: Sind auch anderer vermeinetn Heyligen Gebeine eingelieffert worden“, wie Jenesius schreibt.
So wie bereits 1504 die Reliquien mit Bewilligung des Bischofs vom Meißen „mit großen Gepränge und vielen Uncosten, zur Statt bracht worden sind“, hat es auch zum Annenfest 1509 und in den Jahren danach Prozessionen mit anschließenden Volksfesten gegeben. Das ist auch dadurch belegt, indem sich in diesen Jahren – neben Johannes Tezel – auch andere Ablassprediger hier aufhielten. Von Tetzel weiß man es aus seinen 106 Thesen (später noch einmal 50) gegen Luthers 95, in denen auch das Geschäft mit dem Ablass an solchen Festtagen im gebefreudigen Annaberg nicht bestritten wird. Andreas Moller schreibt dazu 1653 in „Theatrum Freibergense Chronicum“ u.a.: „Am 26. Juli am Tag Annae anno 1509 hat Herzog Georg der Bärtige zu Sachsen eine hohe Messe und Markt Sankt Annen, der Großmutter des Herrn Christi, zu Gedächtnis und Ehren der Stadt Annaberg anordnen lassen und dabei selbet neben seinem Herrn Bruder Herzog Heinrich den Frommen und vielen anderen fürstlichen Personen erschienen; weli auch wegen des Heiligtums und Ablasses, so man damals vorgewiesen und den Leuten erteilt, eine große Menge Volks sich dazu eingefunden.“ Da aber „diese neuen Solenitäten“ (von lat. solemnis = feierlich), also die neuen Feierlichkeiten sich zeitlich mit dem historischen Freiberger Jahrmarkt (seit 1175) überschnitten hätten, hat Herzog Georg kurzerhand angewiesen, dass die Freiberger ihren Markt zu Gunsten des Annaberger Marienfestes um 13 Tage vorzuverlegen hätten, auf den Margareten-Tag (12. Juli), „wie er denn dieses Jahres 1509 das erste Mal also begangen und gehalten worden, bei welcher Gewohnheit es hernach jahraus jahrein bis auf heutigen Tag geblieben ist“, schreibt der Chronist.
Dass das “Heiligthumb”, also die zahlreichen Reliquien, gerade in der Annenkirche platziert wurde, dieser „gegenreformatorische Trutzburg“ (Ludolphy), hatten auch Bedeutung sowohl in der religiösen Selbstvergewisserung als auch in der Abgrenzung – insbesondere gegen die Hussiten, und zunächst weniger gegen Luther. Gegenüber dem Papst brachte Herzog Georg diese Motive auch klar zum Ausdruck, wenn er sich von der Förderung Annabergs durch Rom eine propagandistische Wirkung versprach, wie u.a. im Brief Herzog Georgs an Papst Julius II. vom 17. November 1508 aus Dresden deutlich wird: „Multus Boemos scismaticos ad obedientiam sanctae Romanae ecclesia“. Wir dringend die Unterstützung der heiligen römischen Kirche gegen die „Böhmischen Ketzer“ war, wurde durch den ersten Annaberger Pfarrer, Dr. Johannes Pfennig, unterstrichen, der bereits 1501 als heimlicher Hussit enttarnt und ihm der Prozess gemacht wurde.
Auch als 1517 auf dem erweiterten Gottesacker das „steinerne Crucifix auffgesetzt worden“, kam es zu einer Prozession mit Wallfahrt, die in ein Freudenfest mündete, zumal Jenisius berichtet, dass vermutlich zeitgleich „Sontag Lätare wurde allhier das erste Mal Jahrmarkt gehalten“ wurde, auf dem Johannes Tetzel mit seinen Ablassbriefen offensichtlich gute Geschäfte getätigt haben dürfte.
Am 25. August 1517 erhielten die sächsischen Gesandten für das Versprechen, jährlich ein Almosen für das Marienhospital in Rom zu spenden, die notwendige und von Herzog Georg beantragte heilige Erde von dort. Zwei Tage später wurde dieser Akt durch eine päpstliche Übertragungsurkunde besiegelt. Somit wurden römische Privilegien mit der heiligen Erde auf den Annaberger Friedhof auch auf das hiesige Hospital – ebenfalls eine Gründung von Georg - und sein Umfeld übertragen. Nikolaus von Hermersdorf war es, der Urkunde und Erde nach Annaberg brachte. Das gab also genug Anlass, daraus eine katholische Zeremonie, ein Freudenfest zu veranstalten: So wurde am 12. Dezember 1517 die nunmehr empfangene päpstliche Gnade durch den zuständigen Bischof von Meißen, Johann VI. von Schleinitz, per Approbation anerkannt. Doch durch den plötzlichen Tod des Bischofs am 4. April 1518 verzögerte sich die Weihe des Annaberger Gottesackers um etliche Monate. Nachdem dessen Nachfolger, Johann der VII., sein Amt angetreten hatte, veranstaltete man am 27. Oktober 1519 im Beisein des Herzogs und des Bischofs eine große Weihefeier. Einen Tag später wurde in feierlicher Prozession und unter „Teilnahme zahlreichen Volks“, die geweihte römische Erde von der St. Annenkirche zum Friedhof überführt. Die sächsischen Gesandten am päpstlichen Hof, Carl von Miltitz und Nicolaus von Hermersdorf, schritten mit der päpstliche Gnadenbulle und einem Reliquenschrein der Prozession voran. Mit viel Weihrauch, Weihwasser, Gebeten, Gesängen und dem Segen des Bischofs wurde der profane Friedhof nun als heiliges Feld der Dreifaltigkeit geweiht. Im Anschluss las der Hauslehrer des Landesherrn, Dr. Paul Schüller, das päpstliche Dokument dem versammelten Volk vor. Den Abschluss dieses Trinitatisfestes bildete ein Hochamt in der St. Annenkirche. Irrtümlicherweise berichtet Paulus Jenisius (Paul Jenisch, 1551 Annaberg-1612 Dresden) allerdings davon, dass am 12. Oktober 1518 „weyhet mit großem Gepräng, Bischoff Johann Schleinitz von Meißen, den Gottesacker vor der Stadt in Gegenwart Hertzog Geoegens zu sachsens“ ein. Schließlich musste aber ein Trauerjahr für den im April verstorbenen „6. Bischoff von Meißen“ eingehalten werden, so dass jenes Datum vom 27. Oktober 1519 das richtige für die Friedhofsweihe sein dürfte und dies auch in anderen Chroniken so bestätigt wird.
In allen späteren Begründungen für den Beginn der Annaberger Kät wird ausschließlich dieses Ereignis zum Anlass genommen. Warum allerdings dann das größte Volksfest des Erzgebirges nicht auf das Jahr 1519 als Gründunsgdatum zurück geht, sonder der Behauptung erliegt, dass erst 1520 mit den Wallfahrten begonnen worden wäre, erschließt sich nicht, wenn man aus nahezu allen Chroniken erfahren kann, dass an diesem 27. Oktober 1519 bereits Wallfahrtsströme aus besagtem Anlass nach Annaberg pilgerten und auch ein entsprechendes geschäftliches Treiben stattfand. Tetzel war da am 11. August bereits in Leipzig gestorben (bei Jenisch taucht diese Mitteilung erst für 1520 auf), aber andere Ablassprediger dürften keine schlechteren Geschäfte gemacht haben. Interessant auch, dass in diesem Jahr (das genau Datum nennt der Chronist nicht) „in der Stadt an dreyen Orten zugleich Fewer auff ging, branten etliche Häuser abe: soll von Mordbrennern angeleget, und von einem Graffen auß Frießland dazu bestellt worden seyn“. Was für das Jahr 1520 als Gründungsdatum sprechen kann, dürfte die von Herzog Georg eingeleitete umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit sein, die in diesem Jahr einsetzte, da die Wallfahrtsaktivitäten – nicht nur wegen des Ablasshandels – sondern auch als ein lukrativer Geschäftszweig für das Herbergswesen, den Bierkonsum und den Devotionalienhandel erkannt und ausgebaut wurde.
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Bezüglich der oben genannten Jahres-Daten hätte es also in der frühen katholischen Geschichte Annabergs mehrfach Anlass gegeben, auch ein anderes Jubelfest – zum Beispiel das Annen-Fest - bis in die Gegenwart hinein zu entwickeln und zum DreifaltigKATs-Fest – vielleicht dann mit anderem Namen - werden zu lassen. Allerdings lag diese Friedhofsweihe, besonders nach 1539 (Tod Herzog Georg des Bärtigen), dem protestantischen Verständnis mental und religions-politisch näher, als jene katholischen Heiligenverehrungs-Feste mit ihrem von Luther verurteilten Ablasstrubel. Schließlich wurde aus dem Trinitatisfest, das in der evangelischen Kirche weiter existiert, eine Totenehrung, ein Blumenfest, an dem einst die Gräber geschmückt waren und eine Predigt von der Außenkanzel der Annaberger Trinitatiskirche an die Gläubigen unter der Friedhofslinde gehalten wurde, bevor die DreifaltigKA(Ä)T – mit alljährlichen Steigerungen bis hin zum auswechselbaren Allerweltsrummel – begann...
Der KÄT-Begriff – auch in der mundartlichen Variante von KA(A)T – ist erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts nachzuweisen. In keiner der früheren Chroniken taucht dieses markante Kürzel für unserer Volksfest auf. Dort ist vom Dreifaltigkeits- oder Trinitatisfest die Rede, was in seiner Verkürzung auf die letzte Silbe von DreifaltigKAT zum gebräuchlichen Titel geführt hat. Alle anderen Varianten wie KATharinen-Fest oder eine mundartliche Verballhornung vom lateinischen Gaudium (Spaß, Freude), sind sowohl etymologisch als auch dokumentarisch nicht vertretbar.
Nun begehen wir also 2020 endlich 500 Jahre Annaberger KÄT, das soll auch so bleiben, - aber eben nicht die 500. Schließlich kann davon ausgegangen werden, dass in diesen 500 Jahren die KÄT mehr als 50 Mal ausfallen musste. Leider übernehmen zahlreiche Medien noch immer die falsche, weil punktierte Zählweise, - das offizielle Plakat und die städtischen Verlautbarungen haben für 2017 die richtigen Schlussfolgerung gezogen, sie werben für „497 Jahre Kät“.
Wer sich auch mit der Leidens-Geschichte unserer Stadt befasst, der dürfte wissen, dass schon frühe kriegerische Auseinandersetzungen um sie keinen Bogen machten (siehe z.B. 30jähriger Krieg), große Stadtbrände wüteten, Pest-Epidemien den „Schwarzen Tod“ brachten, Hungersnöte wie 1771/72 – und später immer mal wieder - hereinbrachen, aber auch die beiden letzten Kriege in manchen Jahren nicht zum Gaudium auf unseren Festwiesen einluden. Seit 1946 gibt es allerdings die KÄT nunmehr seit 70 Jahren ohne Unterbrechung, - hoffen wir, dass dies die kommenden 500 Jahre so bleiben möge.
G.B.S.
Zu den “KÄT-Gedichten und Geschichten” - hier
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