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THEATER ABC

 

 


 

 

Verdiente Theaterferien

Mit einem Dreiklang aus viel Schauspiel, Musiktheater und Konzert verabschiedete sich das Ensemble des Annaberger Eduard-von-Winterstein-Theaters von seinem Publikum und von einer künstlerisch prall gefüllten Saison. Ein Nachklang.

Das verregnete Pfingstwochenende war wunderbar geeignet, sich in den hoffentlich sonnenreichen Theater-Urlaub zu verabschieden. Das Annaberger Theaterensemble nutzte dazu alle drei Pfingsttage, um sich noch einmal mit alle seinen Möglichkeiten und in seiner Vielfalt zu zeigen, und damit den vorübergehenden Abschied zu erleichtern - oder aber zu erschweren. Denn es soll Leute geben, denen das Theater eine Art Lebensmittel geworden ist in einer Zeit, die so viele Fragen stellt und kaum eine beantwortet. Mit der „langen nacht des gegenwartstheaters“ hat zumindest das Schauspielensemble am Sonnabend versucht, in fünf szenischen Lesungen mit darauf hinzuweisen, dass Geld eigentlich nicht klug macht, obwohl das in einer Szene im „Jedermann“ behauptet wird, die das Entre des Abends bot.
Es ist den Dramaturginnen Silvia Giese und Annelen Hasselwander zu danken, dass gesellschaftspolitisches Denken in gekonnter Kombination mit geistvoller Unterhaltung das Theater an diesem Tag auf allen nur möglichen Spielorten im Angebot hatte. Von 18 bis 2 Uhr in den Pfingstsonntag hinein war das Publikum im Haus unterwegs, um möglichst alle Darbietungen sehen zu können. Der angekündigte Höhepunkt, das Leipziger Kabarett „Die Pfeffermühle“, konnte die Leistungen des Annaberger Ensembles allerdings mit ihren altbackenen Sketschen kaum überbieten. Die Live-Musik von der Jazz-Band „Ungarheuer“ war nicht nur Pausenfüller, sondern eine willkommene und stilgerechte Begleitung dieser gescheiten und unterhaltsamen langen Nacht.
Theater 1 (Andere)

Einen Tag darauf stand noch einmal die Rollator-Oper
„Don Pasquale“ von Donizetti auf dem Programm, mit der sich das Musiktheater in die verdienten Ferien verabschiedete. Ob der mangelhafte Besuch dieser heiteren Oper an der verunglückten Presseankündigung lag, in der die darin dargestellten alten Leute mit Rollstuhl und Rollator ins Zentrum gerückt wurden, oder ob der fremdländisch klingende Titel die Erzgebirger abgehalten hat, das Haus zu betreten, oder ob es gar die laute undifferenzierte Musikinterpretation war, die zu viele Reihen leer ließen, - wer weiß das schon. Die sehr guten stimmlichen und darstellerischen Leistungen von Madelaine Vogt, László Varga, Jason-Nandor Tomory und Frank Unger sowie das ansprechende Bühnenbild von Wolfgang Clausnitzer sind dafür keineswegs verantwortlich zu machen - im Gegenteil.Theater 2 (Andere)

Das Konzert am darauffolgenden Pfingstmontag dagegen war recht gut besucht. Schließlich spielte die mittlerweile international geschätzte junge Violinistin Liv Migdal mit dem Wieniawski-Violinkonzert Nr.1 in fis-moll eines der schwierigsten Musikstücke für dieses Instrument, das durchaus an den Teufelsgeiger Paganini erinnern soll.
Brillierte sie schon vor der Pause, so beendete sie das Konzert dann noch einmal mit einem kaum unkomplizierter zu spielenden d-moll-Konzert vom selben polnischen Komponisten. Viel Beifall war ihr nicht nur vom Publikum, sondern auch von den MusikantInnen der Erzgebirgischen Philharmonie Aue unter GMD Naoshi Takahasi sicher, die mit Tschaikowkis Onegin-Polonaise und der “Chopiniana” (Chopin/Glassunow) noch einmal die Leistungsstärke dieses Klangkörpers bekräftigte.
Ein würdiger und nachhaltiger Abschluss der Konzertsaison, in der unser Orchester sowohl als Opern- und Operettenbegleitinstrument aber auch als eigenständiger Klangkörper viel Großartiges geleistet hat, wobei da und dort im Hinblick auf stilgerechter Differenzierung und ausgewogener Begleitdynamit durchaus noch Reserven zu erschließen wären.

Die gesamte vergangene Spielzeit konnte sich wieder hören und sehen lassen: Wenn auch nicht jede Produktion zu den gelungenen gerechnet werden kann – welches lebendig Theater kann das von sich behaupten –, so war doch die überwiegende Mehrzahl der Inszenierungen von hohem Ensemblegeist, von künstlerischem Wollen und von erfreulicher differenzierter Darstellungskunst in den beiden Genres getragen. Bei aller Vielfalt, Farbigkeit, Quantität und Qualität des Angebots war das Theater und seine Leitung immer dort am besten, wo es geistigen Anspruch und niveauvolle Unterhaltung zu verbinden verstand – Kriterien, die auf Oper, Operette/Musical oder Schauspiel in vergleichbarer Weise zutreffen.
Unter diesem Gesichtspunkt bleiben solche Inszenierungen in Erinnerung wie
„Anatevka“ mit dem Erz-Komödianten Leander de Marel in der Hauptrolle als Milchmann Tevje. Oder das Hitchcock-Stück „Die 39 Stufen“, in dem u.a. Marie-Luise von Gottberg, Nenad Žanić und Marvin Thiede hervorragende darstellerische Leistungen abgeliefert haben.
Im musikalischen Bereich war
„Così fan tutte“ ein Höhepunkt, in dem das gesamte Opernensemble – mit kleinen Einschränkungen - gesanglich überzeugte, was bei Mozart durchaus nicht so leicht ist, wie oft vermutet wird. Dennoch müssen Bettina Grotkopf, Uta Simone (als Gast), Theres Fauser, Frank Unger, László Vargaund auch Jason-Nandor Tomory als diejenigen genannt werden, die durch ihre künstlerischen Leistungen – in eine leider schwachen Regie – überzeugt haben.
In einer Adaption von Shakespeares
„Widerspenstigen Zähmung“ blieb insbesondere der prononciert spielende Nenad Žanić wiederholt in Erinnerung, aber ebenso nachhaltig spielten Udo Prucha, Marie-Luise von Gottberg, Marvin Thiede und Dennis Pfuhl. Theater 4 (Andere)
„Der Obersteiger“ war als charmante Heimatoperette angelegt, wo nicht nur Pyramide und Bergmusikcorps auf der Bühne agierten, sondern auch aus dem Orchestergraben eine stilgerechte Musik unter der Leitung von Dieter Klug erklang, der schon bei „Anatevka“ sein sicheres musikalisches Gespür – auch für die differenziert bühnenbegleitende Funktion des Orchesters – wiederholt zur Geltung brachte.
Als ein herausragender künstlerischer, kultur-politischer und aktueller Höhepunkt darf das Fassbinder-Stück
„Angst essen Seele auf“ gewertet werden. Hier stimmte alles: Regie, Bühnenbild, Musik und eine hervorragende, berührende Ensembleleistung der Schauspielerinnen und Schauspieler. Allen voran schon wieder Nenad Žanić - aber auch Tamara Korber -, der als Ali versucht, die kleinbürgerlichen Vorurteile auszuräumen. Leider saßen - wie so oft - , die das Thema betreffenden und sich besorgt gebenden Kleinbürger kaum im Publikum. Das spricht aber umso mehr für die Notwendigkeit dieses Stückes, vor allen Dingen an junge, denkende und sich der Aufklärung nicht verweigernd wollende Menschen gebracht zu werden.
Bildungsträger, Schuldirektoren, Lehrer, Eltern, Schülerinnen und Schüler – seht, welch ein (Lehr)Stück!
Auch das theaterpädagogische Angebot kann dazu genutzt werden. Mit manch einem extra inszeniertem Werk kommen die Darsteller sogar in die Schulen... Auch die Entdeckerfreude des Intendanten Dr. Ingolf Huhn soll nicht unerwähnt bleiben, die u.a. mit der Opernausgrabung “Die sieben Geislein” von Humperdinck erfolgreich zu Weihnachten nicht nur die Kinderherzen erfreute.

Wenn die o.g. Inszenierungen besondere Erwähnung fanden, so sagt das nichts über die Qualität all der anderen Werke aus, die auf der Annaberger Haupt-Bühne, auf der Studiobühne oder auf anderen Bühnen, Podien und Sälen von Mitgliedern unseres Ensembles geleistet wurde. Die meisten Inszenierungen wurden mit einer ausführlichen Kritik bedacht, meist mit einer wohlwollenden, anerkennenden, empfehlenden und immer als helfende – im Sinne Brechts – gemeint. Kritik – die ihren Namen verdient – sollte neben Lob auch sachkundig Mängel benennen, ansonsten macht sie ihren Namen keine Ehre mehr. Und wie viel derartige ehrlose Texte mitunter verfasst werden, in denen nicht einmal mehr die Namen der Protagonisten auftauchen, davon kann unser Ensemble einen ganzen Chor anstimmen – der übrigens mit seinem überaus rührigen Chorleiter Uwe Hanke auch immer zur rechten Zeit am rechten Platz mit immer besseren stimmlichen Leistungen das Geschehen bereicherte.

Es war also wieder eine Spielzeit, die erneut belegt hat, dass es lohnt, sich für dieses Theater zu engagieren, denn es ist in unserem Raum einmalig und gut! Es lohnt sich auch, das Haus zu besuchen, immer und immer wieder, am besten ein Abonnement abzuschließen und an anderen Dingen zu sparen, die weit weniger bereichern, als eine Vorstellung an unserem 124-jährigen Musentempel, für dessen Erhalt sich einst Honoratioren der Stadt und aufgeklärte Bürger personell und finanziell eingesetzt haben, weil sie wussten, dass Theater zu den unverzichtbaren Lebensmitteln eine funktionierenden Gesellschaft gehört und die „geistig Hungrigen nährt sowie die Griesgrämigen erheitert“ (Peter Gast).
Hoffnung ist in Sicht: Der Oberbürgermeister Rolf Schmidt hat seit seinem Amtsantritt fast keine Premiere an unserem Theater versäumt. Das können andere Bürgermeister vor ihm nicht von sich sagen, wenn man mal von denen des 19. Jahrhunderts absieht. Und wo ein OB im Theater auftaucht, sind meist auch seine Stadträte nicht fern (jüngst wurde wieder einer gesichtet), und die StadtverwalterInnen tun es ihm sicherlich bald gleich. Dann dürfte auch der Zeitpunkt nicht mehr fern sein, an dem sogar der Herr Landrat mal zu einer Theater-Premiere in jenem Theater aufscheinen wird, für das er maßgebliche Verantwortung trägt....Theater 3 (Andere)

Jetzt geht das Theater aber erst mal weiter auf den Greifensteinen mit dem „Kleinen Muck“, „Sommernachtsträumen“ und der unverwüstlichen „Sissy“. Und für die Spielzeit 2016/2017 wird es wieder ein ausgewogenes Angebot geben, auf das man sich geschmacksdifferenziert freuen darf. Nun geht ein vielleicht auch etwas überstrapaziertes und auch dadurch möglicherweise atmosphärisch gestörtes Ensemble in die wohlverdienten Theater-Ferien.
Das Publikum bedankt sich bei allen, die an den nachhaltigen Theaterereignissen vor, hinter und auf der Bühne – sowie in den Büros, Werkstätten, Kassen und an den Türen – mitgewirkt haben, in der Hoffnung auf eine erfolgreiche und künstlerisch beeindruckende neue Saison.

red.

Wer mehr über unser Theater und seine Geschichte erfahren möchte,
dem sei das Annaberger Theater-ABC empfohlen, das
hier zu finden ist.